Montag, der 2. Januar 2006.

5.11 Uhr:
Nicht h a l b fünf, sondern kurz n a c h fünf hochgekommen, aber immerhin. Die PAVONI zischt… – 5.14 Uhr: Der latte macchiato, Ratz Felix auf mir drauf, dicker, sich am rechten Ärmel und Halsstück entrubbelnder Pullover, alter Hausmantel dazu; es ist kalt: nach dem überheizten Häuschen am Döllnsee muß ich mich erst einmal wieder an die großstädtische Kälte der winterlichen Dunckerwohnung gewöhnen; aber es geht, ist mehr ein Problem, wenn überhaupt, der inneren Perspektive.
Polanskis „Der Pianist“ auf DVD gesehen gestern abend; ich hatte das schon lange gewollt und dachte dies nun mit Malaparte zusammen; sozusagen war es ein Abschied von der anderen Seite;; furchtbar beklemmend, was Menschen Menschen antun können und wie das Unrecht b e i d e Seiten entmenscht: der widerwärtige NaziScherge ist a u c h nicht mehr Vater, Kind, Gatte, hat a u c h nicht mehr Bauchschmerzen, Trauer, Hoffnungen:: so wie der Erniedrigte nur noch ein Bündel überlebenswilliger Reaktionen ist, ist der Erniedrigende bloß noch Monstrum. So daß, tut einer dieser Monstren auch nur das reinste Normale – nämlich einem Hungernden zu essen abzugeben -, es bereits als eine Heldentat erscheint und ihm unsere Sympathien sichert.

Den Kopf ausrichten: Die Erste Fassung des Dritten ARGO-Teils noch auf dem Papier korrekturlesen morgens, dann heute unbedingt Ordnung in der völlig chaotischen Arbeitswohnung schaffen. Und die Briefe öffnen, damit ich die Stirn senken und das, was da auf mich zurollt, auf meine Hörner spießen kann. Jedenfalls kann ich’s versuchen, so zu tun. (Prothoes kurzer Abschied geht mir nach… ich überschlug, es seien fünf Frauen gewesen im letzten Jahr, die kamen und die gingen. Es erschien sogar, mich zugleich überraschend wie kurz, eine sechste, ich drückte sie im Durchgang zur Dunckerküche in die Hocke, sie nahm meinen Schwanz in den Mund, ich war verabredet, wollte sie mitnehmen, sie mochte aber lieber hierleiben und lesen; und als ich zurückkam, war sie fort. Seither gibt es keine Nachricht mehr von ihr, Phryne nannte sie sich: das ist nun nicht m e i n e Erfindung. Vor zwei Jahren durchlebten wir eine intensive Affaire; die Entfernung – Phryne wohnt Hunderte von Kilometern weit weg – strich sie durch. Lilith wiederum reiste erst gar nicht aus Wien hierher an, sondern bleibt, ich fühle es, netzkonsistent. – Und einer anderen Netzfrau gedenke ich jetzt, einer, der ich mich sehr nah gefühlt habe: evl. Die Seele sehr erhoben, zu flach indessen der Körper… – beider, selbstverständlich; tiefe Zuneigung, der die Erde fehlt. — “Du gibst den Frauen keine Chance”, sagte gestern der Profi, “du bist verliebt in deine Liebe zu ******. Schreib doch wenigstens nicht öffentlich drüber! Was soll denn fühlen – was tun, wer das liest?”

7.36 Uhr:
– “K ä mp f e n.”)

14 Uhr:
S e h r zäh in der Arbeit, von heftigen erotischen Anfällen unterbrochen, die ich mit Pornos bekämpfe. Nichts anderes läßt sich derzeit ja dagegen tun. Auf dem Schreibtisch sieht es aus wie am Morgen… na, f a s t. Ein paar Seiten hab ich noch korrigiert, aber ich finde in den Text nicht hinein. Spiele statt dessen auf Kontaktforen herum, sowohl der härteren, wie der weicheren Gangart; ich brauche eine Frau, das ist ziemlich deutlich. Zugleich hänge ich mit ganzer Seele in ******, was wiederum dazu führt, daß ich mich nicht öffnen kann mag will, es geht auch gar nicht; dafür bekomme ich dann von Freundinnen und Freunden Vorhaltungen speziell des heutigen Morgeneintrages wegen gemacht: Die knappe FellatioSzene zu schildern, sei, hieß es, unsexy wie nur was… na ja, aber es war genau d a s, was diese Wiederbegegnung mit Phryne ausgemacht hatte, jede andere Beschreibung wäre geheuchelt und darüber zu schweigen wäre feig. Überhaupt scheinen es einige meiner Leser vorzuziehen, das, was ist, unter den Mänteln zu lassen – wodurch es sich ganz sicher nicht ändert, aber man kann so t u n, als wär man was andres. Und überhaupt: W e s h a l b soll es sich ändern? Weshalb soll der Mann so tun, als wäre er autonom, wenn ihn das Testosteron nur so durchbrodelt und völlig besinnungslos macht? Weshalb soll eine Frau so tun, wenn ihr Geschlecht sie sich biegen läßt vor Begierde? Deshalb können sie und er d o c h die klügsten Wissenschaftler sein und schönste Bücher schreiben und Kinder mit einer Liebe umgeben, wie sie all denen, die sich verklemmen und nicht zugeben wollen, notwendigerweise versagt bleibt.
Ich werd gleich mal ’ne Runde schlafen… es jedenfalls versuchen.

15.56 Uhr:
Kein Schlaf zu finden; ich bin wie zwischen Unruhe, Not, Angst, Traurigkeit und sexuelle Schübe auf- und auseinandergespannt. Das ist ein wirklicher Verlust, den das Ende des letzten Jahre brachte: daß mir die Fähigkeit zu schlafen, wann immer ich wollte, so abhanden gekommen ist. Abends, also nachts, hab ich noch keine Schwierigkeiten, aber der Mittagsschlaf, der mir so wichtig war, scheint kaum noch möglich zu sein. Es ist richtiggehend Existenzangst, wenn ich meine Gedanken untersuche, ökonomische, verbunden mit einer seelischen, mir von dieser ständigen Gegenwart der verlorenen ****** so deutlich wie lange nicht mehr vor Augen geführt, seit ich wieder Treffen mit ihr zuließ, also seit ziemlich genau einem halben Jahr. Ich gebe einem Erregungsschub nach, falle kurz in parasympathikotone Erschöpfung, aber der Geist hat zuviel Kraft, er erholt sich zu schnell und bäumt sich auf: schon bin ich wieder wach. Abgebrochen also.
Ich muß mich jetzt zwingen, das Arbeitszimmer herzurichten. Dann der Putzfrau absagen für morgen, denn erstens kann ich sie nicht zahlen, zum zweiten kommt morgen jemand für ein Interview über >>>> Robert HP Platz’ Musik und meine Libretti dazu. Und muß mich zwingen, endlich die Post zu öffnen. (Besorgt rief eben der Profi noch an. Es ist sehr schwer, den Leuten, auch den engsten Freunden, klarzumachen, was da in mir vorgeht und wie das funktioniert und wieso es derart belastet. Aber es war immer ein Zeichen von Gefahr, wenn ich keine Musik hören mochte.)

… und, 16.55 Uhr, sehr nachdenkensvoll, was eine befreundete Leserin mir eben bei Finya schrieb:
sie haben sich ihren “schutzpanzer ” geschaffen mit der dschungelwelt… sie können nur so agieren und sind damit unverwundbar in gewisser form, denn totale offenheit ist die beste waffe…nur in welchem kampf? (…) und für ihr werk hat es sicher etwas sehr bedeutsames… jedoch die liebe verlangt nach geheimnis… oder?
das hat fast etwas von einem opfer…das sie bringen…
Da mußte ich schlucken eben.

19.59 Uhr:
Immer noch ungeöffnete Post, Mahnungen, Rechnungen, Werbung, auch bißchen was Persönliches, alles durcheinander und sehr kleidsam für die linke Seite des Schreibtischs:
Statt zu arbeiten, mit Frau von Meck über ****** gesprochen, sozusagen über meine Depression hinübergesprochen. Und mir fiel ein, daß ich neulich schon den Gedanken hatte, ich würde für ****** sogar die Dunckerwohnung aufgeben, die in den vergangenen zwölf Jahren so ziemlich das Zentrum meiner literarischen Existenz geworden ist. “Haben Sie davon einmal etwas ins Weblog geschrieben?” fragt da Nadeschda von Meck. “Nein”, antworte ich, “das habe ich, glaube ich, noch nicht.” Nun steht es drin. Als Botschaft vielleicht, da Nadeschda überzeugt davon ist, ****** lese zu Zeiten in Den Dschungeln (ich selber bezweifle das allerdings).

Ich beginne jetzt, die Briefe zu öffnen, einen nach dem anderen. Habe mir zur anderen, zu rechten Seite einen Hefter gelegt, auf dem ‘unbezahlte Rechnungen’ steht.