Wie man Undinen zurückholt. Kaschmir. (3).

Deshalb dachte er, ohne es doch wirklich zu begreifen: auch durch mich hat sich Arina hindurchgelebt. Und zog den Pullover a n: nun schlüpft’ er in s i e, kämpfte um sie, still, von nun an, das war selbstverständlich. Er trug außer Wäsche Socken Schuhen Hose gar nichts anderes mehr; einen Mantel noch drüber, sicher, wenn es kalt war. Wenn er den Pullover wusch ihn trocknete, ging er nicht hinaus. Man wollte ihn im Anzug haben bei der Bank, er weigerte sich. Fast alles verlor er: erst die Arbeit, schließlich ging ihm das Geld aus. Die Familie zahlte die Miete, knirschend, wie wir erfuhren. Wir sorgten uns um ihn, verstanden ja selbst nicht, brachten ihm Essen. Wenn wir klingelten und wenn er öffnete (was nicht immer der Fall war), dann lächelte er uns an und sagte: Wir wollen gerade das Abendbrot nehmen, kommt doch herein; Arina wird sich freuen, euch zu sehen. Beklommen traten wir ein, beklommen sahen wir: er hat für zwei gedeckt. Er tat für uns nun Gedecke hinzu.

2 thoughts on “Wie man Undinen zurückholt. Kaschmir. (3).

  1. Land’s End’s Undine. Kaschmir. (4). Lieber Herr E.,

    schön, daß Ihnen die Geschichte gefällt. Ich geh eben auf Ihre Lektoratsvorschläge Punkt für Punkt ein; wenn Sie dann mit meinen Reaktionen einverstanden sind, korrigiere ich entsprechend und schicke Ihnen danach das lektorierte Typoskript noch einmal:

    1) ” … an anderen hätte das Kleidungsstück verweichlichend gewirkt. Ihm

    hingegen verlieh es einen geradezu machistischen Zug”

    Das ist wichtig. Und es wird ja geschrieben “einen geradezu machistischen Zug” – was eine Distanzierung beinhaltet. Es geht ja um einen Eindruck. Das ließe ich also gerne stehen.

    2) “So männlich-schön hatte ihn der Pullover gemacht.”

    Find ich auch nicht inkorrekt. Es g i b t männliche Schönheit, und das wissen – und lieben – auch Ihre Kundinnen.

    3) “Zweidreimal nahm er eine mit heim, sagte Arina zu ihnen, da gingen sie wieder.”

    Einverstanden, ich versteh Ihre Bedenken. Und nehme den Satz für Land’s End hinaus. (Wenn der Text später einmal in einer Erzählsammlung erscheinen wird, pack ich ihn halt wieder rein. Einverstanden?)

    4) Ließe sich eventuell auch der Satz “Alles war Sommer” streichen? Ihr Beitrag erscheint ja Ende Oktober in unserem Winter-Katalog.

    Na ja, aber es ist ja ein innerer Sommer gemeint. Um das zu verdeutlichen, könnte ich natürlich die Geschichte, also dort, wo der Erzähler Kortes dann nach so langer Zeit wieder besucht, expressis verbis in den Herbst packen und das eben auch so schreiben. Dann wäre die Sommer-Stelle verdeutlicht.

    5) “Character”: Haben Sie bewusst die englische Schreibweise gewählt oder soll das “Charakter” heißen?

    Das ist eine Eigenart von mir, auf der ich nicht beharren würde. Entscheiden S i e da einfach. (Ich hab noch einige andere solcher “Macken”, etwa schreibe ich sehr gern: “Er sah paar Menschen”, spare mir also bei “paar” aus reinem Gefühl heraus den Artikel; das hab ich aber bei so gut wie keinem meiner Bücher je durchsetzen können. Schreib’s aber immer wieder in die Typoskripte.

    6) “Sie lächelte, Geborgenes Warmes strahlte sie aus”: Ist das so korrekt oder wollten Sie schreiben: “Sie lächelte, geborgenes Warmes strahlte sie aus” oder vielleicht “Sie lächelte, Geborgenes, Warmes strahlte sie aus”?

    Nein, ist korrekt. Das ist eine rhythmische Frage, zumal z w e i Substantive etwas anderes bedeuten (also im Bedeutungsh o f) als wenn man eines dajektiviert. Das Stilmittel stammt übrigens von Döblin; auch Wilhelm Muster wendete es immer wieder an (zu meinem Erstaunen, ich lernte seine Prosa erst kennen, als er sc hon tot war).

    7) “es war ihr leicht gewesen, gar nichts bei ihm zurückzulassen”: Arina lässt ja gerade den Pullover bei ihm zurück (also nicht nichts). Sollte also das “war” stattdessen ein “wäre” sein?

    Da haben Sie völlig recht! Ich formuliere um in “so fast gar nichts bei ihm zurückzulassen”.

    8) Es finden sich einige Aufzählungen ohne Kommata. Handelt es sich dabei um ein bewusst gewähltes Stilmittel, lassen wir es gerne so stehen:
    “neue Schuhe ein neues Kleid”
    “Wenn er den Pullover wusch ihn trocknete”
    “das Brustfell die Seele”
    “Vorhänge Überwürfe auch der beige Teppichflies” (es müsste, glaube ich,
    “Teppichvlies” heißen)
    “Ich wusste begriff”

    Siehe 6). Auch hier geht es um Rhythmik und darum, Getrenntes nah aneinanderzuziehen und dennoch die Differenz zu wahren. Kommata hingegen machen die inneren Abstände zu groß. Übrigens f l i e ß t so ein Satz durch das Verfahren enorm; Sie müssen das nur mal l a u t lesen. Stammt im Ursprung übrigens auch von Döblin, der für mich stilbildend war. Und mit “Vlies” haben Sie ebenfalls recht. Danke.

    Zweimal steht ein Punkt, wo (glaube ich) ein Komma stehen sollte: “dass er sie einmal zurechtwies. dass es mal Streit gab”
    “Aber die anderen hatten mir erzählt. Kortes habe wieder Arbeit gefunden”

    9) An einer Stelle setzen Sie zwei Doppelpunkte in rascher Folge:

    “Die Wohnung war voller Blumen: hell alles und sehr weiblich: …” Würden Sie den ersten Doppelpunkt durch ein Komma ersetzen wollen?

    Okay. (Mit den Mehrfachdoppelpunkten experimentiere ich seit einzwei Jahren. Das muß aber in diesem Text und in Land’s End nicht sein.)

    10) Zweimal wechseln Sie unvermittelt vom Präteritum ins Präsens:

    “Jetzt fällt¹s ihm ein” statt “Jetzt fiel¹s ihm ein”
    “Und überall ist Arina” statt “Und überall war Arina”
    Sollte dies ein bewusst gewähltes Stilmittel sein, um die Unmittelbarkeit
    des Augenblicks darzustellen, lassen wir es ebenfalls gerne so stehen.

    Ja. Das ist bewußt und funktioniert ähnlich wie ein historisches Präsenz. Es sind Bruchstellen, an denen sich unvermittelt die Erzählperspektiven verschieben. Sie werden gemerkt haben, daß es d r e i in diesem Text sind: Kortes, der ein einziges Mal “ich ” sagt: pötzlich ist man ihm ganz nah. Dann das “wir”. Und schließlich noch das andere Ich des Erzählers, der von dem Geschehen dann restlos eingefangen wird – bis dahin, daß die Arina-Erscheinung sich auf ihn überträgt. Daß zum Schluß dasteht “Und überall ist Arina” überträgt die Bewegung schließlich sogar auf den Leser. Ich denke, das werden Sie gespürt haben. Deswegen nämlch mögen Sie den Text. Lacht.

    So, das wär’s. Bitte senden Sie mir eine Rechnung über den vereinbarten Betrag von 2000 EUR

    – Nö, das mach ich erst, wenn wir beide den Text wirklich fertighaben und er druckfertig abgegeben ist. Das ist für mich eine Ehrenfrage.

    Dort kommt auch der Verweis auf aktuelle Veröffentlichungen: Erscheint also bis Oktober ein neues Buch von Ihnen,geben Sie mir bitte kurz Bescheid.

    – ein neues kommt dieses Jahr nicht. Aber Sie könnten auf >>>> den Erzählband bei tisch7 hinweisen. Und ich hätte sehr gerne einen Verweis auf http://www.albannikolaiherbst.de .

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