Sonnabend, der 10. Juni 2006. Gera.

[7.51 Uhr.]
[Courtyard Marriott. Schnittke, Erste Klaviersonate.]Zu spät aufgewacht, zu viel getrunken, bis fast zwei Uhr nachts zusammengestanden, nachdem die Lesungen der ersten beiden Texte und die Diskussion über sie bis fast halb zwölf Uhr nachts gingen. Neben mir sitzt eine ausgesprochen schöne tscherkessischstämmige, über die Türkei geprägte junge Frau. Es ist (fast) immer das gleiche: Ich komme an, sehe, sie sieht, man steht und sitzt beisammen und spricht und spricht. Zudem studiert sie, wo auch ich studiert habe, und ebenfalls Philosophie. Fleißig dann, ehrgeizig: zieht sich nachts noch zurück und lernt für einen Schuljob über Woyzeck. Toll. Und mein alter Freund Dieter B., der ein wenig Vaterstelle für mich eingenommen hat und einnimmt, jedenfalls… nein, nicht väterlicher, sondern vaterhafter Freund ist, aber nun, da er altert und das scharf an sich beobachtet, sich ein wenig verdüstert – vergraut, möchte ich sagen, seit dem Tod seiner Frau, der ihn so getroffen und entschieden geprägt hat.
Die beiden Texte, nun ja. Der erste junge Autor noch völlig unbeholfen in der Wahl seiner Mittel, suchend, „da ist was…“, denkt man. Bei diesen jungen Menschen vermischt sich noch allzu sehr Suche nach dem eigenen Stand, vermischen sich die Nächte mit dem Willen, Weibchen- und Männchensuche mit dem Talent. Blickt aber ein solcher junger Mensch sehr gezielt eben darauf, dann kommt manchmal ein so schöner Text zustande wie der der jungen Frau, die danach las.
Ich geh jetzt frühstücken, Leser, und dann zur zweiten Sitzung.

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