Sonntag, der 25. Juni 2006. Bamberg – Berlin.

7.24 Uhr:
[Beethoven, Streichquartett op. 131.
Ich erwache, rechts neben mir liegt mein Sohn, links neben mir >>>> Titania, ich schau auf die Uhr, es ist schon sieben (erinnere mich, daß ich um fünf aufschrak und den Wecker ausstellte und wieder einschlief); ich setz mich aufrecht, seh die beiden an, geb Titania einen Kuß auf die Stirn, steh auf und denke: Hoffentlich ist sie jetzt nicht beleidigt. Ich hatte einfach den Impuls, Wärme zugleich und Sicherheit zu vermitteln, denke ich, als ich aus der Toilette komme, wo ich mich beim Pinkeln im Spiegel ansah (im Stehen, Leser, ich setze mich nicht) und wiederum dachte: Das Schwimmen gestern, angestrengt gegen die Strömung, und sowieso die Sonne haben deinen Körper wieder schön gemacht. So such ich meine Unterhose, find sie nicht; mir fällt ein, sie ist noch draußen in der Badetasche, die auf der Terrasse stehenblieb. Also geh ich splitternackt hinaus, genieße es, daß die Muskeln zeigen, daß sie sind, und wie kräftig da, wie fleischlich mein Schwanz heute früh noch drittels steht: wie schwer er ist. Ich seh die Reste auf dem Tisch, seh auf die Häuser gegenüber, zieh mich dann, wieder drinnen, an. Und setz mich an den Schreibtisch mit Kaffee.

Es war ein guter Abend gestern. Nach dem Schwimmen kamen C. und ihre Kinder mit her, Titania hatte fürs Latinum gelernt, wir tranken Wein und schälten den Spargel. C.’s Junge und meiner haben sich angefreundet, sie tollten herum, das 1 1/2jährige Mädchen taute ebenfalls auf, Titania und C. fingen an zu sprechen, was etwas gegenseitig Empathisches meint, etwas überaus Vertrauensvolles, ich rauchte Zigarrchen. Kein Gedanke an Arbeit war. C. blieb lange. A. kam kurz dazu, aber ihr Mann hatte sie mit Beschlag belegt, und er wollte nicht seinerseits zu uns kommen; so mußte sie wieder, früh, gehen. Die Villa lag im tiefen Frieden, es war kein Gedanke an Arbeit. Paolo Conto gehört und Konstantin Wecker, dann ist mir wieder nach den spätern Beethoven-Quartetten gewesen, wir hörten sie bis in die Nacht. In Titania hab ich, spür ich, das Feuer dran entzündet, „die mußt du mir a u c h überspielen“, sagt sie. Und hör sie jetzt ebenfalls wieder.
Wir begleiteten C. und ihre Kinder nach Hause, mein Junge nahm das Fahrrad des anderen Jungen, ich C.’s, fahr-albernd fuhren wir zwei durch Bamberg, immer voraus und immer wieder zurück. C.’s Mann stand bereits auf der Straße, kann sein, besorgt. Als er mir die Hand gibt, ist das erste, was er sagt: „Ich hab gehört, du bist einundfünfzig.“ Was ist denn d a s für eine Begrüßung? denk ich. Wir sagen Auf bald! und ziehen zu dritt wieder ab. Mein Sohn bleibt immer noch auf, schließlich schick ich ihn, es mag bereits zwölf sein, zu Bett. Er murrt nicht, sagt: „Okay, Papa“. Putzt Zähne, entkleidet sich, ich spreche noch mit Titania weiter, lasse uns allen Zeit. Dann geh ich hoch, leg mich zu dem Jungen und spreche mit ihm: eine Mischung aus Vater-Sohn- und Mann-zu-Mann-Gespräch, über das er einschläft. Auch ich döse kurz weg, werde wieder wach, stehe wieder auf, geh zu Titania hinaus, die immer noch am Tisch sitzt, die rauchend und sinnierend über die nächtliche Regnitz blickt. Und weiter sprechen wir. Wann nun w i r zu Bett gingen, weiß ich nicht mehr. Nur daß, als ich um fünf erwachte, beide Lieben sich je in eine Bettdecke eingemummelt hatten, ich aber frei dalag und fror. Und statt aufzustehen, zog ich mir den Schlafsack hoch, der vorm Bett lag, und schlief weiter.

Ich mag gerade nicht arbeiten, weil ich zur Überarbeitung keine Musik hören darf und dieses Quartett wieder so schön ist. Dennoch w e r d e ich arbeiten. Sò.

(Helmut Kraussers neuer Roman wurde mir gestern vom Verlag geschickt: „Eros“. Es gibt ihn noch nicht im Handel, deshalb kann ich keinen Link darauf legen. Wundervoll, dachte ich, daß der von mir so tief akzeptierte Kollege schon im Titel wieder solchen Mut zeigt. Auch Freund UF hab ich jetzt für Krausser begeistert. Und will mich um einen Rezensionsauftrag bemühen.)

Und schaun Sie mal, was ich mir gestern gekauft hab: . Sie waren teuer, aber ich b r a u c h t e sie. So ganz einfach.13.24 Uhr:
[Jarrett, Sapporo 1976.]
Hitze.
Und ganz Bamberg um diese Jahreszeit besteht aus Rosen, in jedem Garten und hochkletternd an Mauern und alten Hausfassaden explodieren sie in meistens Rot.

18.51 Uhr:
[ICE Bamberg-Berlin, bereits in Leipzig.]
Dem Jungen wurde plötzlich schlecht, abermals auf der Zugfahrt. Der Zugbegleiter: Das liege an der Neigetechnik, auch er habe das bisweilen, sitze dann da und hoffe, daß der Anfall schnell vorübergehe. „Warten Sie einfach bis Naumburg, dann wird’s besser.“ Adrian hatte für die Schule gearbeitet, als es ihn überkam. Ich sollte bei den weiteren Fahrten darauf achten, daß wir nur immer zwischen Berlin und Naumburg, bzw. a b Naumburg zu arbeiten beginnen. – Seit fast anderthalb Stunden schläft das Kind tief auf den beiden Sitzen gegenüber.

Dann eben eine bizarre SMS, die freilich zu erwarten war; dennoch ging sie mir in den Magen. Ich verlier hier kein weiteres Wort über die Geschehen, nehmen Sie’s nicht krumm. Sondern freue mich lieber auf das nächste Treffen mit der Frau, handle es sich um Ω nun oder um F. Raten Sie einfach. *lächelt.

21.55 Uhr:
[Berlin, Kinderwohnung. Britten, Cellosuiten.]
Nun schläft der Junge, Katanga ist nicht da, so daß ich gleich noch h i e r einen mir bislang nicht bekannten Besuch bekomme. Er besucht mich – weil ich Dich nicht allein schlafen lasse – tatsächlich in der Küche, also privat, was ja wirklich einigen Mut voraussetzt einem Fremden gegenüber, mit dem man paarmal im Netz sprach. Es ist ganz wundervoll schwülwarm, fast heiß. Wein will er mitbringen, der Besuch. Es war ein Spontanentscheid, vorhin im Zug getroffen, als ich meine verschiedenen Korrespondenzen durchsah und hin- und herSMSte. Richtig weit bin ich mit der Überarbeitung von ARGO, IV roh zur EF heute nicht gekommen. Und hab mich entschieden, mir morgen einmal wieder eine Fußpflege zu leisten, jetzt, da etwas Geld da ist… vorübergehend, ich weiß. Mal sehen, ob meine schöne Fußpflegerin mich morgen irgendwie mit hineinschiebt zwischen ihre immer engen Termine. Dann werde ich genießen. (Ich war lange lange nicht mehr bei ihr; vielleicht ist sie ein wenig verstimmt. Sie hatte sogar zweimal bei mir angerufen im vergangenen dreiviertel Jahr, um nachzufragen, ob was passiert sei. Und ich hab nie zurückgerufen.)

0.18 Uhr:
[Soeben brachte ich sie zur Tür.]
Na ja, was soll ich sagen? Eine nette, lebenskluge Person. Die gern jemanden hätte. Der aber ganz ganz sicher nicht ich bin. Ich geh jetzt Zähne putzen und lege mich schlafen zu meinem schönen Sohn. Ihnen, Leser, gute Träume.