Von D. L. (Zur Bildung. Abermals wikipedia.)

Bei der Frage, ob wikipedia, ob Brockhaus, geht es letztlich darum: Glaubt man lieber den Vielen oder den Wenigen, die über Macht verfügen? Diffundiert sich aus dem gesammelten Vielen nicht letztlich ein verläßlicheres Wissen als aus den macht- und marktpolitischen Interessen derer, die für Lexikoneinträge sowohl die Aufträge vergeben als auch sie erhalten? Ich muß nur an meine Erfahrungen mit Universitätsprofessoren denken: wie viele darunter sind, die signifikant weniger Wissen haben als ich, aber – anders als ich – das gesellschaftliche (also machtinteressengefügte) Ritual der entsprechenden Universitätsabschlüsse absolviert haben. Gar keine Frage, daß es unter Professoren große, ja bedeutende Ausnahmen gibt, das (geisteswissenschaftliche) Gros aber erblaßt selbst in seinem Fachgebiet gegenüber leidenschaftlich interessierten Laien ganz erschreckend. Und ist dann erschreckt.

6 thoughts on “Von D. L. (Zur Bildung. Abermals wikipedia.)

  1. WIKIPEDIA Hochinteressant, wie sich gerade in den Tagen unserer Wikipedia-Erfahrungen der Brockhaus neu positioniert (Presse von gestern): als absolutes Multimedia-Werkzeug, das alle Sinne bedienen will. Und was hoben alle Berichterstatter hervor als Vorteil gegenüber Wiki: geprüftes Wissen und Redaktionsarbeit – also nicht ausuferndes Geschreibsel von Amateuren. Das hat mich bei der Wiki übrigens immer gestört.

    Zur „Freiheit des Wissens“ – die Wiki immer so laut betont: Es kommt eben nicht nur Wissen, sondern auch Unwissen und gezielte Desinformation zusammen. Wie beispielsweise die amerikanischen Congress-Abgeordneten sich in der Wiki schönen ließen, siehe: SPIEGEL online 31.1. / SPIEGEL online 11.2. oder Altstalinisten aus Ostberlin. Oder das Bankhaus Oppenheim und die ganze Familie, die sich natürlich mit “freiester Lizenz” sozusagen Persilscheine per Wiki ausstellen läßt – nützlich in Zeiten, in dem Medienanwälte so massiv gegen ein Enthüllungsbuch über die Bank vorgehen, daß nur ein geschwärzte Ausgabe erscheinen kann.. Summa: da ist genausoviel Manipulation wie bei jedem anderen Nachschlagewerk, weil jeder Autor natürlich Interessen verfolgt.

    Aber allein, daß ein Wissensspeicher nachweislich Fiktionen als Realitäten anbietet (schön suchen, liebe Leser, ich verpetze ja keinen…), ohne es für nötig zu befinden, bei solchen Sachverhalten einmal nachzuhaken – tja, das ist nicht freier Geist: das ist Faulheit, Naivität, Paste&Copy-Arbeit, recte: Murks. Und wenn hinter diesem System dann auch noch eine solche Unteroffizierskaste die Reinheit des Wissens belauert – sorry, da wird mir ein bißchen übelchen. Und damit wird die Wiki niemals ein zitierfähiges Werk. Es wird immer etwas Luftikushaftes behalten, was ja auch ganz nett ist. Leider halt der Seriosität abträglich.

    1. Aber es wird – wirkungspsychologisch – Wirklichkeit geschaffen. Und zwar eine, deren sich Beiträger und Leser selbst bemächtigen. “Realitätskraft der Fiktion”: Nicht anders operieren Börsen. Wir sc h a f f e n uns unsere Wirklichkeiten: in ‘normalen’ Lexika tun es die Experten für uns, in wikipedia tun wir es selber. (G a b es je Homer?)

      (Man darf hierbei eben nicht unterschätzen, in welchem Ausmaß auch in anderen Lexika Wirklichkeiten zwar weniger geschaffen, wohl aber im Wege des Nicht-Nennens interpretiert werden. Genau darauf hat, meine ich, >>>> D. L. in seinem eingangs zitierten ersten Satz hinweisen wollen.)

    2. Das stimmt schon Aber, lieber Herbst, vergessen Sie eines nicht: Je mehr Amateure sich auf etwas stürzen (Literatur beispielsweise), desto schlimmer. Diese Heerscharen an Möchtegerndichtern, Möchtegernjournalisten, Möchtegernkomponisten – und natürlich: Möchtergernlexikonbeiträgern – das alles schafft erst einmal nur Quantitäten. Natürlich, auch hin und wieder oder auch gar nicht so selten Qualitäten, und es wäre arrogant, zu behaupten, in der Wiki stünde nur Mist. So ist’s ja zum Glück nicht, sonst bräuchte man sich auch nicht darüber zu unterhalten.

      Was mich bei der Wiki stört: dieses demonstrative Sich-auf-die-Brust-Schlagen: “Freiheit des Wissens”. Und was steht dahinter: Ein einfaches und effektives Kapo-System, das zwar völlig inhaltsfrei agiert, dafür aber reglementiert. Und warum: Weil die eigentlich schöne Freiheit des Wissens sonst nur ein Freibrief für Manipulation wäre. Damit sind die aus Eigeninteresse oder Machtkalkül agierenden Experten des “normalen” Lexikons durch eine Polizeitruppe ersetzt, die ebensoviel Schaden anrichtet. Nur anderen halt…

    3. zitierbar ? Wikipedia erscheint sehr wohl zitierbar. Allerdings nicht in der Weise, dass man einfach quotet. Bei vielen Fragen hat man ja selbst seine Quellen einmal woanders gelesen und kann überprüfen, ob Wikipedia ein stimmiges Bild bietet.
      Ich würde nichts zitieren, von dem ich nicht auch die Originalquellen zugänglich hätte und oft dient ein Eintrag geradezu als Inhaltsverzeichnis dessen, was es zu untersuchen gilt.
      Wenn ein Eintrag geschönt ist, ist das in der Regel zu merken. Mehr an Geschichtsfälschung als es die herrschende Geschichtsschreibung leistet, findet sich in Wikipedia auch nicht.
      Aber möglicherweise liegt der Fehler in einer falsch gesetzten Erwartungshaltung.

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