Geht die Verlagsbindung verloren.

Zerfällt der Werkgedanke. Nicht mehr kommt es auf den Zusammenhang an, sondern aufs einzelne Buch – das partikulierte und als solches jeweils im Markt plazierte. Es geht um product placement, nicht um kulturelles Erbe, das – als Bewegung der Tradition, als Beharrendes also – dem Warencharacter entgegensteht. Ware muß austauschbar sein, flexibel, letztlich ohne Bleibendes. Es soll sich erschöpfen, ‚leer werden’, damit neuer Bedarf entsteht.
Autoren, die ihre Verlage wechseln, nicht aber ihr ganzes Werk mit hinübernehmen, die also freiwilliger- oder gezwungenermaßen diejenigen aufsplittern, von denen ihre Bücher gegenüber dem Markt und der Öffentlichkeit vertreten und präsent gehalten werden, riskieren, spätestens nach ihrem Tod vergessen zu werden. Denn weshalb sollte ein Unternehmen, das von einem Autor sagen wir drei Bücher hat, ein anderes hat aber vier und wiedernächstes ein weitres, den Autor als solchen bewerben? Das Interesse des Verlages ist allenfalls das Buch, das er vertritt: Werbung für das W e r k bedeutete hingegen Werbung für die Konkurrenz. Vor allem Werk- geschweige Gesamtausgaben neuerer Dichter sind vor allem aus Kostengründen nicht länger interessant, da doch Lizenzen an andere Häuser bezahlt werden müssen.
Freilich ist der Werkgedanke an sich längst widerökonomisch: wo eines bleibt, sagt uns Aristoteles, da kann nichts anderes stehen; ein Werk nimmt neuem Absatz Platz weg. Insofern ist ein Werk immer Widerstand (eine Kategorie, die so unmodern wurde wie die Theorie, die sie ausformuliert hat, unmodern wie Kapitalismuskritik insgesamt und unmodern wie Anti-Pop). Die wenigen Dichter jedoch, d e n e n an Widerstand noch gelegen ist, sind in verzweifelter Lage. Denn auch, w e n n sie ein Werk im Auge haben und nicht nur jeweils das Saisonbuch – und daß man profitabel es selbst schreibt -, können sie es nicht mehr zusammenhalten. Und niemand anderes tut es für sie. Der Verleger, der für ein ästhetisches P r o g r a m m stand, ist längst von Managern abgelöst, die arbeitsteilig handeln und selbst dann, wenn ihnen an Werken gelegen ist, diese mit anderen Managern, etwa kaufmännischen Leitern, abstimmen müssen; auch hier schaden demokratische Verfahren der Kunst. Profitabilität steht an erster Stelle. Das ist verständlich. Doch i s t ein Werk nie profitabel, allenfalls einzelne Bücher sind es. Dies galt schon für Goethe, galt für Döblin und den vergessenen Hans Henny Jahnn. Daß wir diese Autoren als Werk in unserem Kulturgut behalten haben, verdanken wir Verlegern und je dem erloschenen Urheberschutz. Die neue Situation gibt kein weiteres neues Werk hinzu, die Bewegung ist in den Stillstand gefahren. Wir können einen Strich drunter ziehen.
Oder wir sind geschickt. Und legen die Romane so an, daß keiner ohne den andren verständlich ist. Dann leidet zwar die Marktgängigkeit des einzelnen „Produkts“, aber der innere ästhetische Zusammenhang einer Literatur bewahrt sich über die Grenzen der jeweiligen Editoren hinweg. Die Bücher zeigen mit den Fingern von einem Haus in das nächste. Allerdings macht solch eine Konzeption Profitabilität von vornherein unwahrscheinlich, und der widerständige Autor läuft Gefahr, nun g a r nicht mehr zu erscheinen. Zumal, wenn ohnedies ein ganzes Kunstsegment stirbt: das der erzählenden ‚Ernsten’ Künste. Das sind die, die es ernst meinen.

[ICE Bamberg-Berlin.]

(Die Rolle des am Markt verabschiedeten Verlegers hat in wenigen Fällen der Stifter übernommen, etwa >>>> im Falle Arno Schmidts. Da nur liegt Hoffnung.)

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