Arbeitsjournal. Mittwoch, der 30. August 2006.

5.29 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Bis gegen eins im >>>> Pettersson-Jahrbuch von 2001 gelesen. Die Reihe hat leider das Problem, nicht kontinuierlich genug zu sein für ein Jahrbuch. Ich stelle mir vor, mit welchen Finanzierungsschwierigkeiten, auch welchen Schwierigkeiten von Akzeptanz die herausgebende >>>> Pettersson-Gesellschaft zu tun hat. Immerhin g i b t es für Pettersson solche, sagen wir, Jünger – ein Ausdruck, der freilich falsch ist, da die Mitarbeiter nicht predigen, sondern ganz im Gegenteil versuchen, das Persönliche, das den kunstanalytischen Blick auf diese Sinfonik verstellt, von ihr gerade wegzuziehen. (Was ich, in meinem geplanten Sprachrequiem, n i c h t werde tun können, da ich kein Musikwissenschaftler bin – oder jedenfalls nicht s o. Aber es ermahnt mich, tatsächlich eine Fantasie über das Werk zu schreiben und mich zugleich vor auch Pettersons eigenen programmatischen/lebensphilosophischen Äußerungen in acht zu nehmen). Vielleicht sollte man statt ‚Jünger’ das bescheidene Wort ‚Unterhändler’ verwenden, das trifft den – auch pragmatischen – Sachverhalt eher. Andererseits gilt aber auch Homer: “Ein jeder Held braucht seinen Sänger.”Bin seit kurz nach fünf auf; gutes, sicheres Gefühl so früh am Schreibtisch. Auf der geöffneten Terrassentür beharre ich, auch wenn es kalt ist, viel zu kalt für den endenden August; zwei Pullover hab ich an u n d zwei Schals. Von draußen rauscht das Wehr herein. Nachtschwarz ist’s noch immer.
Nachdem ich gestern frühnacht noch die schriftliche Auflistung der Posten aus den Kontoauszügen beendet habe, muß ich heute die Reisekosten von 2005 zusammenstellen, ordnen, berechnen usw., dann noch die paar Honorarunterlagen ordnen, so daß ich wenigstens d a s Zeug morgen fertig mit nach Berlin nehmen kann. Am Freitag früh gäbe ich gern bei der Steuerberaterin ab, denn ich muß wegen der zu unterschreibenden Erklärung von 2004 sowieso dahin; am Montag kommt die Finanzbeamtin zur Steuerprüfung für 2003 und 2004 in die Geschäftsräume meiner Steuerberaterin. Meine Sachbearbeiterin mailte mir: „Wir müssen vorher eine Selbstanzeige machen.“ Ich geriet in leichte Panik, die Frau beruhigte mich, es sei ein rein formaler Akt; ich sei amtsseits sowieso viel zu hoch geschätzt worden. „Lassen Sie sich nicht nervös machen.“ – Na ja.
Also wird mit eigentlicher Arbeit wieder wenig, wie ich’s gestern schon notierte. Außerdem kommt nachher (man weiß nie genau, um welche Uhrzeit) die hiesige Putzfrau für Böden und Bad. Ich hab sie vor vierzehn Tagen (sie kommt alle zwei Wochen) weggeschickt, weil die Jungs hierwaren; jetzt ist’s dringend, aber überhaupt nichts aufgeräumt. Das muß ich jetzt Zug um Zug machen, wenn sie erscheint. Wieder wegschicken kann ich sie nicht, rufen die Böden seit Tagen. Und die Frau ist anders als meine liebe Elisabeth in Berlin, gröber, grob insgesamt, rein aufs schnelle Putzen konzentriert, nicht auf den Bedarf eines Künstlers. Steht etwas im Weg, putzt sie, wenn überhaupt, drumrum. Oder stellt einem die Schuhe, falls sie stören, auf den Herd. Ich werd heut vormittag mal ein wenig bestimmen. „Sie fangen im Bad an, derweil mach ich Ordnung her oben ums Bett, dann putzen Sie d a, und ich schaffe Ordnung im Arbeitsraum unten.“ Usw. Widerspruch gibt’s nicht. (Nämlich tendiert s i e dazu, einen zu kommandieren. Bislang hab ich immer alles vorbereitet, bin dann einfach gegangen und hab sie allein wurschteln lassen. Heute geht das nicht, weil ich mir die Zeit nicht wegnehmen lassen kann. Also wird die Frau diesmal m e i n e n Anweisungen folgen müssen und nicht ich den ihren. Mal sehen, vielleicht kriegen wir Krach. Die meisten anderen Stipendiaten haben, von ihr genervt, bereits auf die Wirkung dieser Putzfrau gegenüber der Direktion verzichtet. Man rief eigens eine ‘Konferenz’ deshalb ein; ich ging da freilich nicht hin.)

10.52 Uhr:
[Pettersson, Sinfonie Nr. 15.]
Ging alles gut mit der Putzfrau, war sogar ein wenig nett. Hab die Umstände genutzt und auch auf dem Schreibtisch weder klarschiff gemacht. In Pettersson-Aufsätzen gelesen, während der Fußboden trocknete. Über >>>> den Cronenberg von gestern abend geschrieben, ich mußte, es ging nicht anders. Außerdem >>>> ein weiteres Morrigain-Fragment hingeworfen. Jetzt frühstück ich mal was, dann muß ich dringend den Ellis-Briefwechsel für literaturkritik redigieren und freigeben; danach an die Steuer. Und dazwischen irgendwann einen Mittagsschlaf nehmen.

18.58 Uhr:
[George Enescu, Sarabande.]
Ahhhhhhh! Aaaalllles ferrrrtig, was ich für die Steuer 2005 nach Bamberg mitgenommen hatte. Wunderbar! Erlösend, Sie ahnen ja nicht, w i e! Jedenfalls ist das jetzt mindestens einen dicken Cigarillos wert. Dafür ist, zumindest verglichen mit Petterson, diese Musik ziemlich müßig und geht mir auf den Keks in ihrem harmonischen Weichklang. Entweder haben die das im Studio so gemacht, oder der Pianist (Daniel Goiţi) tritt permanent das Matschklangs-Pedal. Sò, aus mit dem Zeug. Und gewechselt zu Caspar Johannes Walters Klavierquartett von 1994. Eine Wohltat, sag ich Ihnen.Jetzt tu ich noch ein paar Kleinigkeiten im Netz oder lese Aufsätze über Pettersson; um acht treff ich mich mit Zschorsch, der, weil ich so vorgeschwärmt habe, nun ebenfalls >>>> Cronenbergs „A History of Violence“ sehen will; und ich schau mir den Film ein zweites Mal an. Nach so kurzer Zeit hab ich dann immer einen guten Blick für die Faktur eines Kunstwerks und kann dann völlig anderes genießen (oder mich auch ärgern). Zschorsch will den Malt Whisky, den ihm Louise Welsh aus Schottland mitgebracht hat, auf den Tisch stellen. Tjä, Leser, meinen Sie, ich erwisch dann morgen den 7.09er ICE?

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