Arbeitsjournal. Sonnabend, der 9. September 2006.

7.10 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Verschlafen. Das gab’s auch seit langem nicht mehr, daß ich mal acht Stunden… nein, nicht durchschlief, denn es war zwischen halb und Viertel vor fünf mit dem Wecker ein Kampf zu verlieren, an den ich mich gut erinnere, schlief aber eben doch. Die Sonne steht nun schon gegenüber über den Wipfeln und auf der Halbetage über mir tappst mein Junge soeben ins Bad, aber gleich ins Bett zurück. Wegen der PETTERSSON-Arbeit hab ich nun ein maues Gefühl, ich kann mir keinen Zeitverlust leisten, wirklich nicht; andererseits hab ich ein nicht-maues, sondern gutes Gefühl, sowohl, neben dem Jungen und mit ihm eingeschlafen, als auch tatsächlich mit ihm aufgewacht zu sein: wir grinsten uns an, als ich meinen Kopf aus dem Kissen hob. Allan Pettersson kannte das nicht, hatte das nicht, das ist auch für das Requiem mitzubedenken, daß Kinder dem Elend Grenzen setzen – sofern es ein psychisches ist. Daß sie allein durch ihre Existenz dafür einstehen, daß Welt gut ist. (Dieser Gedanke führt, geht man ihm konsequent nach, weiter als ‚nur’ in den Anspruch, man müsse sie bessern; sondern so, wie sie ist, hat sie Gutes und will sein; trotz des Entsetzens, das sie ganz fraglos a u c h ist, ist sie Feier zugleich, Schönheit, Leidenschaft, Begeisterung; die „Hoffnungsinseln“ in Petterssons sinfonischen Inseln stehen eben auch dafür und nicht nur, wie so gut wie alle Interpreten wollen, rein-innere Ruheflächen, den „Gesang, den die Seele einst gesungen“ (Pettersson) eben nicht nur „h a t“, sondern den sie in jedem Menschen neu und jedesmal wiedersingt. D a s ist’s, was sich an dieser Musik bewahrt und sie gültig macht, nicht die (berechtigten) persönlichen Klagen Petterssons wegen seines persönlichen Leidens, schon gar nicht wegen der Mißachtung, mit der ihm begegnet wurde; das alles ist letztlich marginal, und wenn seine eigenen Äußerungen sich noch so sehr davorschieben und von seinen Gegnern, denen sie sich ungewollt zuspielen, sowie von seinen Apologeten davorgeschoben werden. Der unpersönliche Teil dieser Musik ist es gerade, auf was sich meine Arbeit deshalb konzentrieren muß, und der persönliche kann dabei nur insofern Anwendung finden, als er das Zeug hat, für Allgemeines zu stehen. Das gilt im übrigen ganz ebenso für meine Bücher; man muß den Blick der Betrachter vom Persönlichen weglenken, auch wenn es i m m e r nur die Person ist, die leidet, immer nur das Individuum, nie ‚eine Art’. Diese Aussage, aus dem Individuellen gewonnen, ist eine allgemeine ihrerseits, was bedeutet: übertragbar.)

12.48 Uhr:
Völlig unkonzentriert; der Tag heute, arbeitstechnisch, geht völlig aus dem Leim. Typisch: immer, wenn ich aus dem Zeitrhythmus komme.

(Nachmittags/frühabends:)

Fischfänger und -bräter.
23.50 Uhr:
Seit dem >>>> 17. Juli gingen mir die Anfangszeilen >>>> hierfür nicht aus dem Kopf; ich friemelte und friemelte, es wurde nichts. So ließ ich das Ding schließlich liegen, aber immer als begonnene Datei oben auf dem Desktop; fast jeden Tag guckte ich drauf, während der Arbeit an den ersten Elegien, während der anderen theoretischen und lyrischen Texte und jetzt während des Petterssons. Heute lief der ganze Tag aus dem Gerück, es ging einfach g a r nichts. Ich öffnete die Engel-Datei, nehme das neue (sehr alte) Reinlexikon zur Hand, das der Profi mir von U. mitgebracht hatte – und mit einem Mal weiß ich, daß es um Liebe geht in dem Gedicht und um Kinder und um Vereinigung und um den Trost, der daraus kommt, einen Trost für die Engel. Dennoch kam ich wieder nicht weiter. Ging also mit dem Jungen aus, wir aßen etwas Fisch mit Bekannten und seinem jungen hiesigen Freund, also er nicht, mein Junge aß k e i n e n Fisch, sondern Süßigkeiten und ein Brötchen, Zschorsch kam hinzu auf das kleine Fest, wir gingen dann wieder und guckten gemeinsam, mein Sohn und ich, James Bond. Den hat es also wohl gebraucht. Denn plötzlich, eben, ich guck mir die Datei noch einmal an, muß gar nicht viel tun, nur den Worten folgen – das Ding steht da und ist vielleicht noch nicht richtig fertig, aber steht da. Dank 007. So geht es manchmal a u c h.

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