B.L.’s 1.2. – „Ich bin das nicht gewesen, was ich geworden bin.“

17.18
Den ganzen Tag war mir nicht nach Schokolade. Jetzt, wo ich anfange, meinen Tag zu formulieren, greift die Linke spontan an den Griff der obersten Schublade, zieht sie auf und legt die verbliebenen Stückchen Nougatschokolade vor die Tastatur. Die Rechte folgt der Einladung und schiebt mir zwei Stückchen in den Mund. – Und jetzt noch zwei Stückchen. Nun ist die Schokolade gegessen, und ich kann endlich zu meinem Tag übergehen. Aber vielleicht rauche ich vorher noch eine Zigarette. Auch das Fenster im Flur ist noch auf. Ich sollte es schließen, denn bald geht die Sonne unter, die heute einen eher frühlingshaften Tag beschert hat. Auch ansonsten sollte ich ihn eher als angenehm empfinden: frei von Arbeit, frei von Gesellschaft (einzige Ausnahme, der Hund bellte mich aus meinem Mittagsschlaf, wofür ich ihn dann sofort wieder haßte). Ich bin auch nirgends gewesen: Ich wollte nicht schon wieder Geld ausgeben, nachdem ich in den letzten wieder einiges habe ausgeben müssen für Autoversicherung, Kfz.-Steuer, Gasbehälter für den Ofen, Fernsehabonnement. Im Februar sollte weiter nichts anliegen, aber die dicke Rechnung vom November ist immer noch nicht bezahlt. Und die Zukunftspläne bleiben vorerst hirnrissige Phantasien, die mir auch nicht weiterhelfen. Und wohl auch ihr nicht weiterhelfen, die mittlerweile eine weitere Firma kontaktiert hat, um die Hausprobleme im Zusammenhang mit dem Untergrund zu lösen. Obwohl ich die Dringlichkeit nicht einsehe. Auch bin ich nicht in der Lage, das mitzufinanzieren. So entstehen unüberbrückbare Entfernungen. (Nun habe ich doch glatt den Mondaufgang verpaßt, und die dicke fette Scheibe hängt schon in den Zweigen des Walnußbaums!) Schon die Eingriffe vor ein paar Jahren haben ja dazu geführt, daß ich mittlerweile soviel Schulden bei ihr habe, daß sie meinen Anteil an diesem Haus hier aufwiegen. Außerdem wurden die Ausgaben damals noch dadurch erhöht, daß sie partout die Vorbesitzer verklagen wollte. D.h., für die Arbeiten wurden offizielle Rechnungen mit Mehrwertsteuer und etwas höheren Preisen vorgelegt, weil für das Gerichtsverfahren zu verwenden. Dieses Verfahren zieht sich schon lange hin. Und Satisfaktion zu erhalten, ist nach wie vor unsicher. Für mich bedeutet das nur: weitere Kosten. Ich verfolge das Ganze nicht einmal mehr. Ich fürchte, am Ende werde ich selber zu mir in eine unüberbrückbare Entfernung rücken. So kühl und schweigsam wie der volle Mond in den Zweigen des Walnußbaums. Weshalb auch sonst überheize ich mein Zimmer? Die hypothetische Antwort steht an anderer Stelle. (Alternativ könnte man auch sagen: ich will mich in einen Zustand zurückversetzen, aus dem heraus ich sagen kann: „Ich bin das nicht gewesen, was ich geworden bin.“)

2 thoughts on “B.L.’s 1.2. – „Ich bin das nicht gewesen, was ich geworden bin.“

  1. Ähnlichkeit ist eine Differenzqualität… und so darf ich füglich behaupten, einen ‘ähnlichen’ Beitrag
    in der Röhre zu haben….Ich hoffe, er wird noch heute gar!

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