Paul Reichenbachs Mittwoch, der 14. März 2007. Tönerne Füße ?

15. 3. 1660
In der “Sonne” versprach ich meiner Frau, dass sie alles,
was ich auf der Welt besitze, bekommen soll – mit Ausnahme meiner Bücher -,
wenn ich auf See sterbe. (Samuel Pepys, Tagebuch)

Wer sollte die Bücher bekommen, frage ich mich. Ein Freund oder die Londoner Bibliothek, wir wissen es nicht. Fakt ist, wenn ich sterbe und das wird vermutlich nicht auf See sein, dass meine Bücher weder Frau noch Sohn haben wollen. Jetzt schon jammern beide, es sei zuviel Literatur im Haus. Seit Tagen sortiere, räume und katalogisiere ich meine Bibliothek neu. >>>Über die Russen habe ich schon berichtet. Doppelausgaben, wenn sie nicht den Odem der Bibliophilie ausatmen, lege ich zur Seite und hoffe, dass sich irgendwo in der Nachbarschaft Interessenten finden. Was soll ich mit Romanen machen, die ich seit Jahren nicht in der Hand hatte ? Der ganze Fontane, Thomas und Heinrich Mann, Balzac, Stendhal und Zola beanspruchen unheimlich viel Platz. Broch, Andre Gide, Dickens und Thackeray ebenso. Was wird mit Feuchtwanger und Egon Erwin Kisch? Werden sie nach meinem Tod jemals von einem Verwandten, von meinem Sohn will ich gar nicht sprechen, der hält das Lesen von Belletristik für Zeitverschwendung, mit Interesse in die Hand genommen werden? Oder die Briefe Van Gohgs an seinen Bruder Theo? 4 Bände, a 25 Mark der DDR, für sie bin ich als 16 Jähriger Sonntag für Sonntag Zeitungen austragen gegangen, wo werden sie landen?
Bei der Durchsicht meiner Regale fand ich einen Band Franz Kafka: Erzählungen /der Prozess/ das Schloss. Berlin Rütten&Loening 1965. 821 Seiten Dünndruck, in Leinen gebunden. Das Gerücht, Kafka sei erst zwischen 1980 und 1990 in der damaligen DDR erschienen und vorher verboten gewesen, steht also auf tönernen Füßen. Ich war 1965 18 Jahre alt und kaufte das Buch in einer Papierwarenhandlung meiner Heimatstadt. Ein feiner Band, Klaus Hermsdorf brachte ihn heraus.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .