B.L.’s 21.3. – What you get married for if you don’t want children?

17.09
Heute morgen die Wipfel auf den Gipfeln der Hügel gegenüber mit Schnee gepudert. Da hatte ich etwas, was ich ihr außer dem „Guten Morgen“ sagen konnte. Dann stand sie mit dem Kaffee am Fenster und sah auf die Wipfel auf den Gipfeln der Hügel gegenüber. Ich ging mit meinem Kaffee hinauf ins Arbeitszimmer. Kaffee ist sehr handlich. Da ich jeden Morgen einen Akt der Shakespeare-Stücke lese, landete mein Tag heute im Vorspiel zu „Der Widerspenstigen Zähmung“. Der trunkene Kesselflicker, dem der Scherz gespielt wird, er sei ein Lord. Eine ihm eingeredete Zeit von fünfzehn Jahren, die ihm als Wahn vorgegaukelt wird. Der Wahn sei seine Wirklichkeit, bzw. umgekehrt. Der wirkliche Wahn die vorgegaukelte Scheinwirklichkeit bzw. umgekehrt. Ich weiß nicht mehr genau, wann die Abtreibung stattgefunden hat. Aber seitdem müssen ungefähr so viele Jahre vergangen sein. Niemand wollte es, das Kind. Sie machte alles allein, entschieden und kompromißlos. Ich war nur erschreckt und vermochte weder etwas dafür noch dagegen zu sagen. Wir hatten es doch so beschlossen. Und war eigentlich gleichgültig. Jahre später erst die Wunden. In unseren Köpfen. Wenn wir nun auseinandergehen, gehen wir kinderlos und ergebnislos auseinander.

What you get married for if you don’t want children?
T.S. Eliot, The Waste Land

Nächsten Dienstag werden wir uns mit einer Anwältin zusammensetzen. Was soll ich sonst dazu sagen? Vielleicht, daß dieser Satz aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ auch keinen Sinn mehr für mich hat:

Page: Ja, und die Zeit bedünkte mich wie dreißig,
Weil ich so lang getrennt von Eurem Bett.

Schlau: ’s ist viel! Leute, laßt mich und sie allein:
Madam, zieht Euch nur aus und kommt zu Bett!

Der Page ist natürlich die Vorspiegelung des Weibes, um den Kesselflicker seinem vorgespiegelten Wahn ein Quentchen Wahrheit beizumischen. Aber es kommen die Schauspieler, und auch der Arzt habe gesagt usw. Merkwürdig indes, daß ich heute auf dem Rückweg von Terni, wo ich mir etwas anzuziehen für die mittlere Jahreszeit kaufte und auch sonstiges gegen meine Angst, nichts zu trinken hier zu haben, diese Phantasie hatte: Frauenkleider zu tragen. Im Verborgenen. Abends, wenn mich niemand mehr sieht. Die Idee erzeugte Lust in mir:

I Teresias, though blind, throbbing between two lives,
Old man with wrinkled female breasts …

T.S. Eliot, The Waste Land

„Ich bin er, und ich bin sie…“ : das schrieb ich auch schon anderswo. Und der Kesselflicker, auch das bin ich. Je bescheidener die Herkunft, desto intensiver die im Alkohol sich vererbende sich niederschlagende Abkunft. Das ist meine Erbschaft. Eine andere ward mir nicht.

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