Buchmesse Leipzig, Zweiter Tag ff. Dritter Tag. Der Roman als Zeitung. MEERE bei VOLLTEXT. Arbeitsjournal. Sonntag, der 25. März 2007.

„Wie? >>>> Das ist ein ganzer Roman??? Ist der so dünn?“ Das war der auf der Messe wohl meistgehörte Ausdruck von Irritation über MEERE bei Volltext. „Wieviel haben sie da denn gekürzt?“ „Gar nichts“ konnte ich sagen, „es ist sogar noch etwas hinzugekommen… jajaja, das sind die 262 Buchseiten… schauen Sie sich doch einfach einmal den Satzspiegel an…“ – aber die Irritation hatte ja auch ich selbst anfangs gehabt.
Die bei VOLLTEXT ausgelegten Zeitungen gingen enorm schnell weg; es war gut, daß ich am Freitag abend noch einmal nach Berlin fuhr und dann im Rucksack und einer geräumigen Reisetasche am Samstag morgen mit dem Frühzug weitere 250 Exempare nach Leipzig schleppte – insgesamt 500 Exemplare, die unters Volk gingen… hier am >>>> BUCHMARKT-Stand der erste Zwischenstop, um für die Nachmittags-Signierstunde schon mal die 50 Zeitungen dazulassen.Aus der Signierstunde wurde dann nicht viel, >>>> Helmut Krausser kam vorbei, sichtlich genervt von allerlei Messe-Unfug, ein paar Bekannte kamen, das war‘s dann auch schon. Ich hatte das so auch vorherbefürchtet, man hätte das vorbeiziehende Publikum aufmerksam machen müssen; aber keiner von uns hatte dazu rechte Lust. Zuviel Jahrmarkt wär‘s gewesen.
Dann bei Keul die ersten Taschenbuch-Anfragen; die Rechte-Situation ist einigermaßen unklar, bzw. wird als unklar aufgenommen. Selbstverständlich hat >>>> marebuch die Rechte, und mit marebuch muß verhandelt werden, nicht mit mir und schon gar nicht mit Volltext. Klar ist aber, daß ein B u c h, wenigstens Taschenbuch, jetzt sehr schnell an den Markt muß. Spätestens zur Buchmesse Frankfurt wird dann wegen möglicher Übersetzungen zu verhandeln sein. Ich werd auch noch mal Prunier dafür schreiben. Denn für diesen Text hat gerade, denke ich, Frankreich eine höchst geeignete intellektuelle und zugleich eine MEERE-gemäß sinnliche Mentalität, etwas, das deutschen Intellektuellen nach wie vor ziemlich abgeht; sinnliche Leser hingegen haben hierzulande ein eher mißtrauisches Verhältnis zur Intellektualität.

Abends ging‘s dann mit >>>> Titania Carthaga und >>>> Gassner nach Dresden zu dem >>>> Laptop-Sponsor, der mich, hab ich den Eindruck, für ein eigenes Projekt gewinnen will, wenn nicht als Mitarbeiter-direkt, so doch als Ideengeber. Es interessiert mich auch; ich darf hier aber nicht drüber schreiben, weil‘s – einstweilen – unter Firmengeheimnis fällt. Jedenfalls hatte ich „meinen“ Laptop bereits in der Hand; ich hab mich entschieden, ihm den Namen Ciane zu geben, – also den der Nymphe, die Kore zul e t z t sah, bevor diese in die Unterwelt entführt und als Hades‘ Gemahlin Persephone wurde. (Ein ganzer Erzählstrang ist ihr in meinem >>>> Sizilienbuch gewidmet. Insofern hab ich die Formklammer zu meiner realen Publikationsgeschichte hergestellt.)

(TC bereitet Werkzeug für
den Sponsor vor.)


Ich bekam das MacBook aber nicht gleich mit. Das hatte etwas von Double-bind: Man reicht mir das schöne Ding, läßt‘s mich betasten, aber entzieht es dann wieder… und hält wieder offen, o b ich‘s nun krieg oder nicht. Statt dessen wurde gefeiert, unsäglich viel getrunken, um 6 Uhr in der Frühe lagen wir angereisten Gäste endlich im >>>> Hostel im Bett. Um zehn/halb elf standen wir auf – Gassner und ich waren die ersten, er ging sofort ins Netz, wir plauderten, mein Kreislauf spielte, als schwömme er, verrückt -, um zwölf waren wir endlich alle auf der Piste nach Leipzig zurück. Morgens hab ich dann noch mal mit dem Sponsor gesprochen, um Klarheit zu bekommen. „Krieg ich den Laptop nun?“ Klare unklare Antwort: „Ich denke: ja, das klappt. Aber laß uns nächste Woche noch mal telefonieren.“ Wie ich solche ich denke‘s liebe! Egal. (Gefiel mir übigens wieder gut, dieses Dresden-Neustadt in seiner seltsamen Dunkelheit, die den AUFBAU OST noch nicht ganz so an sich herangelassen zu haben scheint. Der Stadt ist die nahe Grenze anzuspüren – eine Niemandsland-Stadt, die ein wenig an dem festzuhalten, ja es zu konservieren scheint, was Prag durch USA-kapitalistische Schickimickisierung längst verloren hat.)

So war es nun bereits Sonntag mittag, vier Stunden vor Messeschluß, als ich nach einem kleinen (ziemlich nötigen) Imbiß im Presseclub wieder zwischen den Ständen flanierte. MEERE, MEERE, MEERE; Volltext, Volltext, Volltext. „So sieht ein glücklicher Autor aus“, hieß es mehrfach. Ich modifizierte: „Ein müder, gücklicher Autor, dem das alles ökonomisch nichts hilft – jedenfalls noch nicht.“ Und zu Anne F., die ich nach langer Zeit wiedertraf – ein wunderschönes, inniges Wiedertreffen -: „Weißt du, was ich poetologisch wollte und will, das realisiert sich nach und nach und sehr spürbar… in den Literaturwissenschaften, den Lexika, in Diskussionen, auch in Büchern und vermittels meiner Netzpräsenz sowieso… aber es hat ü b e r h a u p t keine Wirkung auf den Betrieb, der doch die Lebens- und Überlebensmöglichkeiten von uns Dichtern bestimmt. Es ist ihm schlichtweg egal, welche literarhistorische und auch direkte poetologische Bedeutung mein ästhetischer Ansatz hat… er will M a c h t, und er will bestimmen, wer einigermaßen sorglos leben darf und wer nicht. Imgrunde will er den Dichter als Domestiken. Was seine Repräsentanten nicht völlig in der Hand haben können, das versuchen sie, mit allen möglichen Handhaben zu vernichten oder doch zumindest zu behindern. Aber es hilft ihm nichts: Meine Arbeit ist und bleibt d a. Wie ein fortwährendes Ärgernis.“ D a ß sie dableibt, hab ich einerseits Literaturwissenschaftlern und Philologen wie >>>> Ralf Schnell und >>>> Wilhelm Kühlmann zu verdanken, andererseits >>>> Titania Carthaga, >>>> Oliver Gassner und Katanga, die mich ins Netz gebracht, bzw. dafür gesorgt haben, daß diese Netz-Präsenz auch die professionelle Form hat, derer sie bedarf. Und natürlich dem Profi, der mir die schlimmsten ökonomischen Nöte immer und immer wieder etwas mildert. Auch >>>> Knallgrau (twoday)), worüber Die Dschungel gesponsort ist, ist da einiger Dank abzuleisten. Und den übrigen, den eher stillen Mitdenkern und Lesern, auch vor allem kleinen Verlagen, die meine Ästhetik gegen den Betrieb mitvertreten, von dem sie doch selber so abhängig sind.

Interessant dann noch auf der Messe, mit welchem Interesse meine „Kehre“ zur Lyrik gerade von diesen kleineren Verlagen aufgenommen wird; es gab gleich drei Anfragen nach einer etwaigen Publikation der Gedichte. Auch hier wieder k e i n großer Verlag, aber, muß ich gestehen, ich hab‘s auch erst gar nicht versucht. Vielleicht ergibt sich später mal etwas – nur daß der Lyrikmarkt insgesamt ja keiner und es wenig Unterschied ist, ob man Gedichte in großen oder kleinen Häusern publiziert; die Verkaufszahlen sind da ziemlich identisch. Allerdings zahlen einem große Häuser, auch wenn‘s sich auf keinen Fall „einspielt“, ein Honorar – sozusagen für die Aura, die ein Autor einem Verlag verleiht; letztlich ist das – marktwirtschaftlich gesehen – Public Relations. D a f ü r bezahlt zu werden, muß sich an sich kein Autor schämen, wenn es doch an sich ein im allgemeinen respektabler Erwerbszweig ist.

Gegen halb sechs am Abend schlief ich dann, schon auf der Messe, dauernd ein. So folgte eigentlich nur noch ein längerwährender Abhänge-Zustand, der eigentlich erst heute früh in der Villa sein Ende fand.

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