B.L.’s 12./13.7. – Im Rabennest

18.05
Daß der Tag gestern gut angefangen hätte, kann ich nicht behaupten. Durch den auf 6 gestellten Wecker zu wenig Schlaf, der Wein vom Abend zuvor noch nicht verflogen, dennoch arbeiten. Da es einigermaßen lief, legte ich mich doch noch für eine halbe Stunde hin. Um viertel vor elf war ich dann fertig. Um elf dann schon die SMS von Terpsichore, sie sei gerade in den Zug gestiegen. Da wir später wohl auch hier mir einkehren würden, noch schnell das nötigste, vor allem das Geschirr, das Chaos auf dem Küchentisch und sonstiges Entchaotisieren, was auf die Schnelle sich machen ließ. Den Schreibtisch habe ich allerdings nicht angerührt: das bin halt ich. Über die Schnellstraße, die ich sonst ungern benutze, brauchte ich dann nur 30 Minuten bis Orte und kam auch fast zeitgleich mit ihr am Bahnhof an. Unbewußt machte sie diesmal mich zum Kulturbanausen, denn sie erzählte mir – wir hatten uns noch mit Espresso (ich) und Latte macchiato (sie) auf das Terrässchen (Theres’chen?) der Bahnhofsbar gesetzt – von ihren Abenden mit dem Pianisten, von Musik und vom Singen, von dem Wie, davon, daß die Opersängerinnen heute fast alle eine zwar schöne, aber viel zu glatte, viel zu ausdruckslose Stimme hätten. (Es ist keine Schönheit ohne Makel). Natürlich konnte ich mit den meisten Namen, die sie nannte nichts anfangen. Vollends blamierte ich mich dann später noch mit dem Spielchen: Versuch mal das schnell zu sprechen, um dann irgendeinen italienischen Zungenbrecher folgen zu lassen. Daß seien so Sachen, die gleich am Anfang der Stimmausbildung gemacht würden. Also fuhren wir los. Landschaftstag war angesagt. Zwar mußten wir gleich wieder auf die Schnellstraße, dann quer durch Terni fahren, aber man braucht dennoch nur den Blick zu heben, und sie umgibt einen trotz Industrie dennoch, die Landschaft meine ich. Und nach diesem Kriterium hatte ich auch das Restaurant fürs Mittagessen ausgesucht (vergessen Sie nicht, daß ich immer noch keinen Herd habe, und sonst nur Stullen esse, oder sonstige kalte Speisen): Greccio der Ort, 705 m ü.M., hoch überm Tal von Rieti, gegenüber der Terminillo mit seinen 2200 Metern und dem ganzen restlichen Apennin-Panorama. Und wir die einzigen Gäste im Nido del Corvo (Rabennest) an diesem Donnerstag an einem Tisch vor diesem absolut stillen Riesenraum der Landschaft in einer glasklaren Sommerluft. Das war nun wirklich kein geringer Eindruck für beide, auch wenn ich es gestern schon zum fünften Mal vor mir hatte.

Und dann das liebevoll zubereitete Essen. Der Stil ein sehr viel feinerer als die letzten Male, die ich dort war, wo’s etwas rustikaler zuging. Dennoch Portionen, die man nur halb schaffte, und das Hauptgericht ließen wir ganz aus.
Ein Gesprächsthema betraf auch meine hier ja nun fast zu obsessiv beschriebene Ehe-Geschichte (vielleicht habe ich ja nur deshalb hier angefangen zu schreiben). Unausgeleuchtete Nischen sind immer noch da. Wie ich’s auch drehe und wende, und ich tue das unwillkürlich dann doch noch jeden Tag, wenn auch nicht mehr immer hier, bleibt letztendlich doch das nicht nachlassende Gefühl der Notwendigkeit meines Schrittes. Denn ich war tatsächlich in einer Situation der mich irre machenden Passivität (der Beitrag ANHs hierzu hat mich enorm frappiert, fast als hätte er mich selbst beschrieben – LINK).
Leider wurde es dann doch Zeit aufzubrechen, schließlich standen noch Narni und Amelia und zwischen den beiden meine Wohnung auf dem Programm. Aber von Programmen schrieb ich ja das letzte Mal schon. Und am Ende fiel dann Amelia aus, von dem sie auf dem Weg zum Bahnhof nur das Profil – wenngleich in Großaufnahme – zu Gesicht bekam. Diesmal ging’s auf der landschaftlich reizvolleren Landstraße dorthin, die ich selber vorziehe, wenn ich mal den Zug nach Rom nehmen muß. So rundete sich ein weiterer Tag.
Nun brauche ich wohl ein paar Tage Besinnung und auch Zeit zum Arbeiten und mit mir sein. In sieben Tagen drei Ausflüge, das war völlig ungewohnt für mich, ein Rekord, den ich auch nicht brechen will. Es zeigt mir aber, daß ich auch anders kann, als mir zuvor zu glauben gegeben worden ist. Und so geschieht’s dann, daß man nicht von selbst aufsteht, und nicht wecker-induziert, sondern durch die Türklingel morgens um 9 Uhr, wie heute geschehen. „Vigili“, hieß es auf die Frage: „Wer da?“, also die städtische Polizei. Aber ich wußte schon, was er wollte, obligatorische Routine-Kontrolle bei dem- bzw. denjenigen, die ihren Wohnsitz in die betreffende Gemeinde verlegen wollen. Der junge Mann hatte auch ganz andere Sorgen, als mich und meine Wenigkeit. Das Auto stand nämlich offen vor der Tür, und er kontrollierte es ab und zu, denn wie er sagte, sonst würden sie ihm noch das Gerät für die Geschwindigkeitskontrolle aus dem Auto klauen. Der Rest war Arbeit und Lektüre.

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