Paul Reichenbachs Donnerstag,der 2. August 2007. Riesman grüßt.

Ich liege krank zu Bett in meinem Schlafzimmerchen. Eine Grippe? Eine Angina ? Auch eine Kuh ist krank im Stall. Der Tierarzt wird gerufen. Nachdem er die Kuh versorgt hat, führt Vater Baptiste ihn hinauf in mein Zimmer. Er ist sehr und dünn, 45 oder 50 Jahre alt, und hat ein braunes Schnurrbärtchen. Er sieht mir in den Hals, fühlt mir den Puls und meint, es sei nicht schlimm. Er sagt Marie, wie sie mich behandeln soll, dann wird er zu einem Gläschen eingeladen. (Eugéne Ionesco, Journal en miettes)

Auch ich liege schon einige Tage krank im Bett, während draußen Ewigbesserwisser uns aufklären, was ein Tagebuch literarisch zu leisten habe. Was Kunst ist, das wissen sie, – nur scheinbar ! – auch.
Keine Kunst ist es jedenfalls leere Thesen, Kügelchen aus unbeschriebenem Papier, in den Raum zu schmeißen. Was Ionesco darf, dürfen Reichenbach und Lampe schon lange. Nur Beckmesser vergeben einem Tagebuch nicht, dass es ein Tagebuch ist. Eine kleinbürgerliche Existenz, wie die meine, liest sich offenbar so anstößig, dass selbsternannte Kunstpäpste schon deshalb „hasta la vista“ schreien müssen, weil vielleicht ein Quentchen dieses Tagebuchlebens ihr Eigenes mit abbildet. Wer, ich kann das verstehen, erfährt schon gern von den kleinen, langweiligen Dingen, die sein Leben möglicherweise auch determinieren. Die „verruchte, schöne“ Kunst empfinden solche Leute nur dann, wenn sie vom „Betrieb“ geadelt scheint. Das macht den Spießer aus. Er braucht Außenleitung. David Riesman lässt grüßen.

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