Die Polis. Ernst Jünger, Heliopolis (4).

Wiederum elf Seiten nachher:

So ist die Bildung zwar stark gesunken, doch jedem zugänglich. Sie ist kein Vorrecht von Schichten mehr. Desgleichen der Komfort – was früher die Kornverteilung oder der freie Zutritt zu den Spielen, das ist heute der Anteil an der Energie, der Anschluß im Strahlungsraum. Man kann doch sagen, daß sich das alles seit den ersten primitiven Formeln wie ‘Sozialismus plus Elektrifizierung’ stark vereinfacht hat. Der einzelne hat eine Reihe technischer Formeln, die ihm das Leben sowohl erleichtern wie verständlich machen und fühlt kaum das Bedürfnis, darüber hinauszugehen. Man darf behaupten, daß der Heliopolitaner sich, vor allem in den ruhigen Phasen, in hinreichendem Besitz der Freiheit fühlt. Es fällt kaum eine wichtige Entscheidung, die nicht plebiszitär gesichert ist. Im Gegenteil – Sie sehen Kriege gegen den Willen der Armee beschlossen und Führer, die nur dem Demos wohlgefällig sind. Es mag das daran liegen, daß, wie die Bildung, so auch das Bewußtsein zwar im Niveau gesunken, doch allgemein geworden ist. Auf diese Weise hat es Formen angenommen, die dem Instinkt recht ähnlich geworden sind, und es verschmelzen die kollektiven Triebe mit einer automatisierten, berechenbaren Intelligenz.
Heliopolis, 347.

>>>> All dies sagt in dem Roman de Geer, der selbst nicht ohne Gegenredner bleibt, so daß sich das Buch als ein sokratischer Pluralog darstellt, dessen Schlüsse (Entscheidungen) ein Leser selber ziehen (fällen) muß und dessen Grundlagen eine nicht immer angenehme Herkunft restatuieren – in direkter Gegenbewegung zu den verschwiegenen Beweisgründen, die – als Recht und ontologisch – behauptete Gründe sind, des demokratischen Glaubens an autonome Emanzipation. Hier liegt das Unbehagen, das Jünger zumindest in diesem Buch für den aufgeklärten, profanen Gegenwartsbürger nicht ausbläst, sondern, wie die Alten ein Feuer, wahrt.

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