Arbeitsjournal. Sonntag, der 2. September 2007.

6.43 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit dreivier Tagen verschlafe ich dauernd – sei’s, daß sich der Wetterwechsel physiologisch auswirkt, sei’s, daß etwas in mir umgeht… jedenfalls lag ich zwar gestern bereits um 23 Uhr im Bett, erwachte aber dennoch vorhin erst um sechs Uhr. Ich hab gerade auch Schwierigkeiten, in die Elegien wieder hineinzufinden, ihren Ton zu treffen. Diese Computerei hat mich ziemlich aus dem Gerück gebracht, wobei ich mir momentan gar nicht sicher bin, ob ich mir die technischen Probleme unbewußt nicht selber mache – also nicht selber Situationen herbeiführe, die dazu zwingen, daß ich mich auf etwas ganz anderes konzentriere als auf das, was so sehr ansteht… weil vielleicht irgend ein Knoten, textlich, noch nicht aufgedröselt ist und mein Unbewußtes merkt, das lasse sich nicht erzwingen, sondern brauche eine unbewußte Zeit. Da meine psychische Disposition aber nicht untätig sein kann, anders als >>>> Eigners, den ich auch deshalb immer bewundert habe, mach ich mir dann eben anderswo Arbeit… Eigner kann monatelang, wenn’s sein muß, ein Jahr, nur vor sich hinsitzen und meditieren, denken, oder einfach nur in die Gegend schauen; und plötzlich legt er los und schreibt den Roman in wenigen Monaten am Stück, ohne, wie ich, in verschiedenen Fassungen, einfach herunter. So soll es auch im Frühjahr wieder gewesen sein; Katanga erzählte davon; ich selbst hab seit unserem sich gegenseitig tief verletzenden Riesenkrach von vor anderthalb Jahren ja keinen Kontakt mehr zu ihm.
Was geht, sind die kleineren Gedichte, da fällt mir immer etwas Neues ein, oder Schein-Neues, wie man nun will. Und fast immer hat es mit einem Persönlichen zu tun, einer Erinnerung, einem Duft, einer Erscheinung im Hirn, die mich überfällt und durchdringt wie eine Melodie, die sich nicht nachsummen läßt, und dennoch spürt man sie in sich. Dann geb ich ihr als Gedicht Raum.
Wie auch immer, ich muß und will weiterarbeiten an den Elegien, an dieser Vater-Elegie. Das Heikle an ihr ist, daß sie, wie jeder gute Text, ein Allgemeines haben muß, über das sich auf keinen Fall das Persönliche, das sein Anlaß ist, hinüberwölben darf; vielmehr ist das Allgemeine aus dem Persönlichen herauszulösen. Die Frage bei Dichtung ist insofern immer: Wo ist die Schnittstelle, die mein Persönliches ent-persönlicht und mit Lesern verbindet? Ein Gedicht und ein gedichteter Satz sind Interfaces, die einen Port des Lesers mit einem Port meines Gehirnes verbinden: mit den Häfen.

16.19 Uhr:
[Am Terrarrium.]
Es läßt mir keine Ruhe. Ich hab jetzt, gerade auch nach der kurzen Diskussion, die Sie darunter lesen, doch >>>> noch mal geändert. Wobei ich mir nicht sicher bin, gar nicht sicher, ob es so bleibt. Allerdings hat die jetzt eingeführte Alliteration die Nennung des Todes fast verlangt; und nur „ob er schmeckt“ hat etwas, das sich allein auf den Tee beziehen könnte, weil das Reimwort vielleicht zu weit oben. So nun, indem ich das letzte Reinwort verschieben, nämlich i n den Vers, mag es angehen. Aber, wie gesagt, sicher bin ich mir noch g a r nicht. So, und jetzt mach ich mit den Kleinen einen Spaziergang.

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