Arbeitsjournal. Dienstag, der 4. September 2007.

5.06 Uhr:
[Arbeitswohnung und latte macchiato.]
Nun ist es wieder soweit. Ich trage wieder den ersten Schal (Schawl – viel schöner eigentlich) überm Schädel, aber straff diesmal wie eine Kapuze, von dem Hausmantel gehalten, den mir vor Jahren, bald Jahrzehnten Do geschenkt hat und der jetzt den alten Trainingsanzug ersetzt, den ich >>>> zur Väter-WG-Zeit immer bei der Früharbeit trug und endlich aussortiert und weggeworfen habe. Es ist kühl draußen, der Herbst kommt; wie immer früh in Berlin, in diesem fast-schon-Osten.
Gestern nacht traf ich den Profi wieder; da es geregnet hatte und den Eindruck machte, es regne bald wieder, nicht in der Lützowbar. Er freute sich diebisch (lustig, dieses Wort), als ich ihm einfach mein kleines Bluetooth-Ohrgerät schenkte, das ihm so gefiel und das ich meinerseits von meinem >>>> moobicent-Vertreter geschenkt bekommen hatte („Hier,“ hatte der gesagt, „nehmen Sie’s einfach mit“, als ich von meiner Webpräsenz erzählte und daß ich von ihm erzählen würde); jedenfalls bekam der Profi ganz leuchtende Augen, als ich ihm das Dingerl vorführte… und was soll i c h damit? e r braucht so etwas wirklich. Bei mir ist es nur Spielerei. Außerdem war sein einwöchiger Segeltörn zu einer kleinen Höllentour geworden, „aber wir haben viel gelernt“. Ich sah ihn selten so müde. Und enorm männlich wirkte er. Es war das erste Mal, daß ich dachte, diesmal wäre ich gern dabeigewesen. (Sturm, ein abgequetschter Finger, zwei Leute, die ein Viererboot allein zurücksegeln, dem die Pinne bricht mitten auf der Hauptschiffahrtsstraße usw. – ganz nach meinem bisweilen hemingwayschen Lebensgeschmack).
Um etwas nach zwölf lag ich im Bett, um halb fünf kam ich hoch – ich denke mir, daß es gar keine so gute Idee ist, früher zu Bett gehen, weil ich dann um 4.30 Uhr offenbar jedesmal in einer Tiefschlafphase bin, die das Aufstehen erschwert; achte ich strikt auf nicht mehr als vier/viereinhalb Stunden Schlaf, ist früh aufzustehen selbst dann bequem, wenn es abends zuvor ein bißchen alkoholisch zuging.

Der >>>> Turmsegler hat mir per Email, ich hatte darum nachgefragt, aus dem Talmud die Traktate Yevamot 62a und Avodah Zarah 5a geschickt, die mich schon seit Jahren immer wieder beschäftigen und für die ich endlich einmal in den zumindest quasi-Originaltext schauen wollte, da ich mich gestern >>>> abermals auf sie bezogen habe; es gibt ihn wohl nur auf Englisch (und auf Hebräisch natürlich, das kann ich aber nicht); so kam mir beim Schlafengehen der Einfall, ihn wie ein Gedicht ins Deutsche zu übertragen, nachzudichten, und er bereitete mir eine Art Freude-an-der-Gerechtigkeit, schon meiner Herkunft wegen, aber auch, weil ich andererseits immer wieder mit sowohl Koran- wie auch Bibelzitaten arbeite, deren Sprach- und mythische Kraft mich beeindruckt. Sie werden wahrscheinlich mehr davon hören. Denn diese Freude-(noch:-in-der-Vorstellung) hält an. Erst einmal geht es jetzt aber wieder an die Zwölfte Elegie.
Guten Morgen.

6.03 Uhr:
Und… was mich enorm glücklich machte: >>>> Paulus Böhmer rief an, vor dem ich mich, seit ich Gedichte schreibe, etwas scheue… vor seinem Urteil scheue. Ich habe schon einmal, vor Jahren, rund hundertfünfzig Gedichte in den Müll geschmissen – faktisch: ich ging runter zur Tonne und warf sie rein, als Böhmer wieder wegwar… seinerzeit, in Frankfurtmain -, nachdem er, ich hatte ihm ein wenig vorgelesen, nüchtern bemerkt hatte: „Das meinst Du nicht ernst. Du mit Deinem Gefühl für die Sprache…“
Der Profi kam gerade an am 103, ich stand draußen auf der Straße, um zu warten; also verabredete ich mit Böhmer, ich riefe ihn heute um halb elf an. Was ich denn auch tun werde. Wir haben einander seit über einem Jahr nicht mehr persönlich gesprochen. Man wirft mir oft vor, und manchmal zu Recht, daß ich über Kollegen lästerte, also über ihre Ästhetik. Nun ja, aber ich bewundere auch. Zum Beispiel Paulus Böhmer.

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