Arbeitsjournal. Freitag, der 21. September 2007.

5.09 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Gestern also den ganzen Tag drüben gewesen, ein wenig geholfen, ein wenig geschrieben. Dabei die gute Sicherheit, daß, wo immer ich auch bin und wie wenig „Archiv“ auch um mich ist, die Arbeit immer mit nebenherläuft, wie ein Atmen. Ich hatte die Fantasie, man nehme mir hier alles, sämtliche Arbeitsgrundlage: Bibliothek, Musik usw. – ich würde dennoch weiterarbeiten, nahezu ungebrochen; es wäre hart, ja, aber irgendwie wie ausgebombt worden zu sein, und das haben Menschen ja nun auch überlebt. So beschäftigt mich die ökonomische Drohung weiter, so, als stünd man im Krieg; zugleich aber ist da diese Gewißheit, ein neben sich Sein und zugleichSein und ganzSein… sowas Sokratisches ist das.
Ich mach jetzt mal mit dem Pettersson weiter und höre dabei Mahler VI. unter Tennstedt. Mit etwas Inspiration könnte ich die Requiems-Gedichte heute sogar fertigbekommen; falls nicht, ist das auch okay. Mein >>>> moobicent, wohin mein Brief noch immer nicht geschrieben ist, ist heute morgen langsam, UMTS scheint nicht zur Verfügung zu stehen, nur GRPS; das war schon einmal so, änderte sich aber schnell übern Tag. .

Ich hab mit meiner Art eine mir wichtige Leserin vergrätzt, aber es gestern hoffentlich wieder hingerückt; es geht um >>>> das, wovon ich mir, anders als sie geglaubt hat (und sie behielt recht), weitere Diskussion erhoffte, ohne erstmal noch selber eingreifen zu müssen; auch >>>> jenes steht ja weiterhin aus, auch da ist noch zu reagieren. (Dabei fällt mir auf, daß i n s g e s a m t auch >>>> dieses >>>> Projekt steckengeblieben ist. Vielleicht ja für „meine späten Jahre“, wenn ich eines Tages ordnen und zurückblicken sollte wie im Zeitsein des Rentners – jedoch, Klammer zu:), dachte ich gestern parallel (immer alles parallel, simultan, halbbewußt neben dem, was direkt ansteht), daß meine Arbeit nahezu immer „eine letzte“ war: Nur noch dieses jetzt fertigkriegen, dann ist es geschafft, und wiederum: Nur noch das nächste fertigkriegen…. ob da der >>>> WOLPERTINGER gewesen ist, ob >>>> THETIS, ob >>>> MEERE, ob nun die BAMBERGER ELEGIEN – fast immer schrieb ich unter Druck und dem Andruck irgend welcher starken Nöte; fast immer dachte ich: Das kämpfst du noch durch, dieses Buch, auf jeden Fall, noch; wenn d a s da ist, dann kannst du auch gern in die Knie gehen. So daß ich mir die Bedrohungen vielleicht sogar selber zwar nicht schaffe, aber doch befördere, um nämlich in einer Notwehrsituation zu sein, die heftig genug ist, um sämtliche Energien auf ein Projekt zu konzentrieren und alles andere davon abzublenden; nicht etwa, um die Not abzuschaffen. Tatsächlich arbeite ich unter Druck besser als ohne, ja ohne ihn täte ich womöglich g a r nichts, sondern hörte nur Musik und träumte vor mich hin. Tritt aber Druck auf, ist meine literarische Reaktion mindestens ebenso stark wie er und wird enorm produktiv. Insofern hat sie etwas von Pflanzen, die Notblüten austreiben – um so prächtiger, je näher ihr Ende zu rücken scheint. Es ist, als hätte ich genau diesen Mechanismus für mich als Permanenz kultiviert. Das erklärte auch, weshalb mich fast ausschließlich existentielle Situationen interessieren, während ich gegenüber „normalen“ Problemen nahezu teilnahmslos bin; sie ermüden mich: Buchhaltung, Gesundheits- und Altersvorsorge, Fragen um die – für mich sowieso lächerliche – 40-Stunden-Woche, Arbeitsbedingungen, Steuern, Familienplanung, gar Wünsche nach Haus- bzw. Wohneigentum oder überhaupt nach dem Lebensstandard, Wohnungseinrichtung usw. „Gibt es für Sie eigentlich kein Dazwischen, gibt es für Sie immer nur das Extrem?“ hat mich mein Analytiker bisweilen gefragt.
Mir ist auf eine sehr ruhige Weise klar, daß eine solche Haltung schließlich in die Katastrophe führen m u ß; allerdings kann es, je nach Energiehaushalt, sein, daß sie erst eintritt, wenn ich achtzig bin; aber sie steht ständig vor der Tür und hat auch schon die Hand auf der Klinke; ihr Eintritt ist immer nur prolongiert (so, wenn ich, wie im letzten Jahr, eines Stipendiums wegen mal etwas ausschnaufen kann, weil laufend [1]kleine Gelder hereinkommen), und der Andruck nimmt dabei logischerweise zu, schon der Zinsen wegen, die sich auf Schulden berechnen. Daraus folgt, daß auch mein Gegendruck, die literarische Produktion, zunehmen muß. Übrigens ist das ganz sicher auch eine Strategie der Melancholie-Vermeidung, also psychische Abwehr; wer kämpft, der hat für Depressionen schlicht keine Zeit.
Guten Morgen.

10.24 Uhr:
[Mahler, VII., Tennstedt.]

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