Arbeitsjournal. Mittwoch, der 26. September 2007.

5.44 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Leicht verschlafen, das heißt, wieder eingedämmert; dabei war ich kurz vor zwölf im Bett. Es waren aber bleierne Träume, ich scheine richtiggehend geschuftet zu haben im Traum. Keine Spur, indes, einer Erinnerung mehr an was-sie-waren. Hockte aufrecht und sann. Die Venus stand enorm klar am Himmel und steht da, so oder so, n o c h, aber so sichtbar, so leuchtend. Allerdings, hätt mich die Geliebte nicht gestern drauf aufmerksam gemacht, ich hätt’s auch heute übersehen. Venus leitete geradezu den Radweg hierher.
>>>> Children of men gesehen, nach einem halben Jahr ein zweites Mal, weil auch die Geliebte den Film sehen mochte; THETIS-nahes Sujet, wie auch >>>> Waterworld war, aber die mythischen Implikationen verschwimmen. Es bleiben allerdings enorm starke Szenen, Michael Caine als altgewordener Hippie etwa, diese enorme menschliche Wärme, die er in dieser Rolle ausstrahlt, von allem Anfang an, und die Vergeblichkeit einer verlorenen Haltung, die sich dennoch erhält, ihre Form wahrt, ihre Sensibilität. Das ist schon gut. Der, ich möchte sagen, objektive Zynismus, so, wie Marx ‘objektiv’ meinte, objektiv geschichtlich, objektiv prozessual, wenn die junge Frau im umschützenden Arm des Mannes wie das Baby in dem ihren das zerschossene Haus durch die Kämpferspaliere hinabgeht, und wenn unten auf der Straße die Soldaten zwischen den Panzern, da sie das Baby sehen, stumm werden, zu schießen aufhören, einige bekreuzigen sich, andere gehen sogar auf die Knie hinab… Zum zweiten Mal gesehen, fällt die Szene leicht ab, aber der e r s t e Eindruck bleibt, der, als ich den Film zum ersten Mal sah… die erste Erschütterung überwölbt das Wissen um die Szene und das nicht abermalige Auftreten von Erschütterung, so daß man erschüttert b l e i b t…
Ich schreib jetzt für die BAMBERGER ELEGIEN an dem PETTERSSON weiter und habe abermals die Hoffnung, heute fertigzuwerden; doch immer noch unterschätze ich die lyrische Arbeit; bin bereits eine ganze Woche in Verzug…

Abends werd ich beim Profi sein, schon früh, da auch, ich sag mal: Geschäftliches zu erledigen ist. Danach geht’s gemeinsam eventuell auf die Ausstellungseröffnung einer Freundin aus den verwehten Zeiten meiner ersten Berliner Zeit vor dreizehn Jahren; danach wohl in die Bar.
Guten Morgen, insieme.

7.03 Uhr:
Das ging jetzt aber fix: >>>> Fertig geworden. Das mir so wichtige Libera me war bereits so durchgearbeitet, daß kaum etwas zu tun blieb, Kleinigkeiten, die eine und andere rhythmische Störung. Weil es ein Libera me ist, gilt die strenge Form des Hexameters hier tatsächlich nicht. Das war eben eine innige Erkenntnis. Und dann, Sie mögen es Zufall nennen…: aber dann hat das Typoskript 111 Seiten, genau 111. Wundervoll. (Das Buch dann wird mehr Seiten haben, tja; es ist immer sehr viel auf meinen TS-Seiten drauf, man kann ungefähr 1:3 rechnen, wenn die Drucktype nicht allzu klein sein soll.)
Jetzt das Requiem in die Druck-Datei übertragen und ausdrucken. Dann abheften, dann die Hefter schließen. Dann die Druckdatei kopieren und die Kopie im neu anzulegenden Ordner für die Dritte Fassung abspeichern. Und dann zwei Wochen liegenlassen, bis wenn ich die Bearbeitung zu dieser DF beginnen werde, die fürs Lektorat grundlegend sein wird.

Schön, schöööön: Ich kann nachher ohne jedes schlechte Arbeitsgewissen zur Geliebten hinüberradeln, um mit ihr zu frühstücken.

Was hör ich jetzt als Musik? Leise feiernd? – Ja: Stockhausens Michaels Reise um die Welt aus dem >>>> DONNERSTAG AUS LICHT. Auf Vinyl.

17.05 Uhr:
[Schubert, Winterreise (Quasthoff).]
So. Backups gefertigt (immer zweifach, sicherheitshalber), Virenschutzprogramme über die FPs laufen lassen, Post erledigt. Auch die Einsendungen für den Meraner und Dresdner Lyrikpreis fertig zusammengestellt, Anschreiben, getrennte Umschläge, und alles eincouvertiert. Auf dem Weg zum Profi werd ich das bei der Post abgeben. Jetzt noch ein bißchen Kleinkram, die Dusche, dann zieh ich los.
Hübsch übrigens, was mir LH schrieb, dem ich meine Auswahl zur Durchsicht geschickt hatte; ich mag Ihnen das nicht vorenthalten:

alle gedichte , die du eingeschickt hast, werden die jury ratlos machen, da summt kein bienchen über wiesen, und der betrieb mag doch, wenn es summt, und wenn aus sachten eindrücken sanfte ausdrücke werden
zischen und sieden, das kann er nicht leiden… . 🙂
bei dir , in deinen Versen, höllt es, das mögen zwar teufel und hexen, eine laue verschlafene jury aber fühlt sich erschreckt.

Schau’ma mal.

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