Paul Reichenbachs Freitag, der 26.Oktober 2007. Noli me tangere II

>>>>…Noli me tangere dachte er jedes Mal, wenn sie sich trafen, und so schnell wie der Satz sich in seinem Hirn aufbaute, so schnell, war er auch wieder verschwunden. Wie sollte er seinem Arzt erklären, dass er, ohne als alternder Gockel zu erscheinen, wieder einmal, sicher das letzte Mal in seinem Leben, zu lieben begonnen hat? Aussichtslos. Sein Herz schmerzt als er den Schlüssel ins Zündschloss senkt und losfährt.

Wie jeden Tag, so auch an diesem, musste er sich an der Ampelkreuzung, die aus dem Ring hinaus auf Bundestrasse und Autobahn führte für eine der beiden Alternativen entscheiden. Entscheidungen aber waren seine Sache nicht. Ungern stand er als erster an der Ampel. Viel lieber war ihm, wenn bei Rot ein Fahrzeug vor ihm stand, dem er dann ganz die Entscheidung anvertraute, ob der Weg ins Büro über die A 661 oder die B 3 gefahren wird. Es beruhigte ihn, dass ein fremdes Fahrzeug die Richtung für ihn wählte, denn wenn, so sagte er sich, ein Unglück passiert, hätte das „Schicksal“, der Zufall, und nicht er den entscheidenden Grund geliefert. Seine Sorge an etwas, und sei es ein lächerlicher Auffahrunfall, schuld oder verantwortlich zu sein beherrschte ihn seit langer Zeit. Über die Gründe, genauer gesagt über die Abgründe seiner fast neurotischen Furcht sich für dieses oder jenes entscheiden zu müssen hatte sich selbst vor ihm ein Mantel des Schweigens gelegt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .