Paul Reichenbachs Freitag, der 9. November 2007. Rückständig.

Sein Leben erscheint ihm, wie ein einziger großer durch nichts abgesicherter Kredit, mit dessen ratenweiser Rückzahlung er ständig in Verzug gerät. Alles an ihm ist geborgt. Nichts, nicht einmal seine Identität, kann er sein Eigen nennen. Er ist die Erfindung eines Anderen, der wiederum seine Existenz einem ganz Anderen schuldet. Ob es sich bei diesem um den eigentlichen Kreditgeber handelt, nimmt Paul nur an, einen Beweis dafür konnte er, trotz eifriger Suche in den letzten Monaten, nicht finden. Diesen unklaren Zustand, wem er denn seine Biographie verdanke, Raten und Zinsen drücken, hat Paul so satt, dass er eines Tages planen wird sich von allen Abhängigkeiten zu befreien um endlich ein Leben zu führen, das auf keinen Einfall eines Anderen beruht, der wiederum die Idee des ganz Anderen war, wie wir ja bereits wissen und von dem noch zu reden sein wird. …
>>>Das unschätzbare Geschenk, mit der eigenen Lebenszeit nicht konform zu sein, Mosebach über Hacks, ward Paul nicht zuteil. Seine Nonkonformität war das Resultat jenes Kredites, der nun wie ein Damoklesschwert über Pauls fraglicher und zweifelhafter Existenz hängt. Paul war nie ein rückständiger Zeitgenosse, der gelegentlich der Mann von morgen sein wird. Er ist ein Mann mit Rückständen und unverschuldet, schlechter Zahlungsmoral, dem der Blick in ein Morgen durch bedrohliche Zinsen und Zinseszinsen versperrt scheint. Sie wird er, so sein Plan, fliehen, sobald sich eine günstige Gelegenheit bietet.

>>>Zitat nach Martin Mosebach: Über die Vorteile des Einfrierens. ARGOS, Erstes Heft,
S 12. Mainz 2007.

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