Arbeitsjournal. Donnerstag, der 22. November 2007.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Ervin Schulhoff, Erste Sinfonie.]
Eingeschränkte Arbeitszeit heut, ich habe für drüben eben die >>>> BAMBERGER ELEGIEN wieder vorgenommen, da ich bereits um neun wieder hinübermuß; mein Junge nimmt mit seiner Klasse, der Klassenlehrerin und drei Begleiteltern, zu denen auch die Geliebte gehört, an einem Workshop der Komischen Oper Berlin teil; ich selbst habe das eingefädelt und werde nun die Zwillingsbabies hüten; heute vormittag haben die Kinder diese Werkstatt und in der nächsten Woche gehen sie alle in >>>> die Aufführung. Ich >>>> hatte über das Stück geschrieben, Sie werden sich erinnern.
Also das geht bis mittags, so daß ich damit rechne, zum frühen Nachmittag oder zum Mittagsschlaf wieder hierzusein; aber vielleicht nehme ich den mit den Babies zusammen. Jedenfalls werde ich dann bis in den Abend hier arbeiten, um Zeit aufzuholen. Ich will mit der Zweiten Heidelberger Vorlesung beginnen, werde mich diesmal allerdings, schon des ihm nahen Themas wegen, auf meinen >>>> Vortrag zu den Phantastischen Räumen stützen; vielleicht arbeite ich den auch zu der Vorlesung um, erweitere, ergänze, grabe tiefer und füge vor allem als eine neue Raum-Kategorie des Phantastischen das Internet hinzu. Dabei fällt mir ein, daß ich unbedingt noch eine weitere allgemeine Bemerkung in die >>> Werkstatt hineinschreiben muß: die Studenten sollen auch die Texte und Textbesprechungen der je anderen mitverfolgen und vor allem auch gegenseitig kommentieren; manches, was man zu einem Text sowohl poetologisch als vor allem auch erst einmal grammatisch, semantisch, rhythmisch sagt, ist auch auf andere Texte anwendbar, bzw. immer auch mitzudenken. Da ist mir momentan noch zu wenig Kommunikation.

Gut schmeckt er heut früh, der latte macchiato, und ich merke einmal wieder: wenn ich gegen 24 Uhr ins Bett gehe, ist es für meinen Biorhythmus ideal, um 4.30 Uhr aufzustehen; viereinhalb Stunden Nachtschlaf sind wie ein Idealmaß, ich bin sofort munter, und es stört auch in keiner Weise, wenn nachts zwischendurch eines der Babies weint und beruhigt werden muß; meist nehm ich’s dann einfach auf Brust und Bauch und schlafe, mit dem Kind fast verknäult, mit ihm wieder ein. Die beiden sind schwierig momentan, da sie grad ihre dritte Impfung bekamen und die Körperchen darauf mit Unruhe und leichtem Fieber reagieren, ihre Geistchen hingegen mit klammernder Anhänglichkeit.

So, Leser, ans, jajaja, „Werk“.

Eine zu meiner Erfahrung und den Zugriffszahlen auf Die Dschungel seltsame Frage stellt >>>> hier Jörg Sundermeier vom Verbrecher-Verlag (etwas runterscrollen):
Gleichzeitig muss man sich schon fragen: Wer will das lesen? Und wird er die ganzen Texte von Herbst lesen, wenn er doch die Vorfassungen kennt und glaubt, sich dadurch die Lektüre sparen zu können? Das ist eine große Streitfrage.


>>>> Dirk Schröder hat >>>> hier eine Antwort gegeben:
Immer wieder hörte ich, dass es die Verlage seien, die sagen: wenn du es in Netz stellst, können wir kein Buch verkaufen. Ich wollte herausfinden ob das stimmt, und beobachte seitdem verschiedene Buchprojekte, einige Hundert inzwischen. Die Ergebnisse sind eindeutig: der Gedichtband eines wenig bekannten Autors, der komplett online ist, verkauft sich 3-4 mal besser als einer, der nicht im Netz ist. Ausführliche Leseproben bringen nur noch den Faktor 1,3, knappe gar nichts. Noch drastischer fällt das bei BOD oder Lulu-Publikationen aus. Da ist man schnell von 2-3 Exemplaren die Woche auf null runter, wenn man die Website mit den Texten löscht.

Für Die Dschungel direkt läßt sich eine Antwort in zwei Schritten geben, deren erster schon der zweite und sehr viel radikaler ist: 2) Möglicherweise wird sich meine Präsenz rein in das Netz verschieben. Ich habe dabei den Vorteil, durch die vielen vorher erschienenen Bücher, auch durch die erhaltenen Literaturpreise, immer als professioneller Schriftsteller ausgewiesen zu bleiben. Damit übernehme ich insgesamt eine Leitfunktion in diesem Medium; dessen bin ich mir völlig bewußt. Zur Frage 1) aber direkt: Bei einem Schnitt von 400 Zugriffen täglich, von denen wir mal 200 Zugriffe aufs versehentliche Google-Konto buchen, so daß immer noch 200 „echte“ Zugriffe bleiben… also bei 200 echten Zugriffen täglich, haben meine Arbeiten monatlich 6000 Leser; teils werden es dieselben, teils andere sein. Gemessen vor allem an Lyrik-Lesern sowie an Lesern „schwieriger“ E-Literatur ist das durchaus eine Zahl, die sich als Konkurrenz sehen lassen kann, um von den direkten Folgen, die meine Publikationen haben, erst einmal ganz abzusehen. Gleichzeitig weiß ich, daß das, was ich hier betreibe, eine spezielle Form von Underground-Literatur ist, die sich aber dadurch auszeichnet, daß sie konservative Poetiken weiter am Leben erhält – konservativ ist hier erst einmal alles, das sich der Zurichtung durch den Markt entzieht. Wobei das selbstverständlich auch unangenehme Folgen hat, wie man aus meinem Kontostand ablesen kann, ohne daß man dazu Runen werfen muß. Für mich, in meinem Grundgefühl, wird „das Buch“ ohnedies marginal, wird eine Zutat, die einem guttut, s e h r guttut, narzisstisch; es ginge aber auch ohne sie.

[:Ervin Schulhoff, Flammen.]

10.24 Uhr:
[Am Terrarium. Beethoven, Eroica-Variationen mit Fuga (Gould).]
Ich nutze die Zeit, um den Laptop, der sich nach wie vor wie ein altes Auto benimmt, das nicht anspringen will, aber dann, hat der Motor Funken gefangen, einfach so wunderbar läuft… um in – ah, neudeutsch: – softwaremäßig auf Vordermann zu bringen. Immer hatte da was blockiert, nun hab ich die Firewall und das Virenprogramm komplett mit meinem Tiefen-Unsinstaller runtergeworfen, neu gestartet, den Ccleaner noch drüberlaufen lassen, wieder neu gestartet und die entfernten Sicherheitsprogramme dann völlig neu installiert. Und siehe, alles läuft bestens. Die Zwillingsbabies krabbeln munter herum; seit ich den Gould-Beethoven laufen lasse, sind sie wie beruhigt; ihr Spiel hat etwas Meditatives. An sich gehörten sie längst schon wieder ins Bett, aber sie scheinen sich so wohl zu fühlen, das mag ich ihnen nicht nehmen… also so lange sie nicht zu quengeln beginnen, laß ich sie (fast) alles tun, was sie mögen. Neben mir liegt der Ausdruck der BAMBERGER ELEGIEN; außerdem hab ich noch einen Werkstatt-Text lektoriert. Ansonsten ist es, auch in Sachen elektronischer Posteingänge, ruhig heute morgen. – Ahhh, die F u g e! (Es wird Zeit, daß ich einen Weg finde, direkt in Die Dschungel Musik einzuspielen…)

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 22. November 2007.

  1. ich werde … … mir keine
    gesamtausgabe
    im internet antun
    wollen, egal welche
    art von lesegeräten
    fürs web noch
    erfunden werden.

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