26.1.08 18:44 – Sa – 20,9°C – gleichmütiges Wetter

Vorgestern bin ich zum ersten Mal von einer Unbekannten in einem Supermarkt in Amelia gegrüßt worden. Zerstreut sagte ich zunächst einen Gegengruß, konnte aber mit dem Gesicht der älteren Frau nichts anfangen. Bis es dämmerte: eins der Gesichter aus meiner neuen Nachbarschaft. So daß ich nachhakte. Sie habe gedacht, ich sei schon wieder fortgezogen, woraufhin ich sie meiner Hoffnung versicherte, dort noch ein recht langes Weilchen zu bleiben. Das freue sie aber. Mit guten Wünschen fürs neue Jahr trennten wir uns dann. Gestern begegnete ich ihr heimkehrend wieder auf der Straße, da wurde ich schon zum „signore“ befördert: „Buona sera, signore.“ Woraus zu schließen, daß meine Visage langsam zum Dorfbild gehört, denn auch die sonstige Grüßungsart mir gegenüber hat leichte Abwandlungen zugunsten einer zwar nicht offensichtlichen, aber doch im Keime spürbaren Ent-Distanzierung erfahren. Als dröger Niedersachse falle ich den Leuten sowieso nicht gleich um den Hals, also metaphorisch gesprochen. Anders als der plauderhafte Venetier auf dem Bahnhof in Orte. „So lang der Zug?“ – Ich stand ziemlich weit vorn auf dem Bahnsteig. – „Sie sind aber nicht aus Viterbo?“ – Den Norden, den er vermutete, verbesserte ich in ein „jenseits der Alpen“. – „Österreich?“ – Bis ich’s ihm verklickert. Und die üblichen Vergleiche zwischen hiesigem Chaos und dortiger Ordnung, die mich seit zweiundzwanzig Jahren hier langweilen. Als er anfangen wollte, mir einen von Franz Joseph und Adolf zu erzählen, kam glücklicherweise der Zug, und er hastete wegen des Andrangs auf einen der hinteren Waggons zu, wobei ich mich hütete, ihm zu folgen. — Mittagessen bei den Neffen. Und immer traurig zu sehen, wie die Mutter mit ihnen nicht fertig wird, gerade weil sie es mit drohender Autorität versucht. Die beiden haben natürlich längst durchschaut, daß alles Drohen dann doch folgenlos bleibt und nur hilflose Gebärde ist.

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