als ich gestern damit beschäftigt war, meine wäsche zu waschen und zu trocknen, gingen meine gedanken in unsere alte waschküche hinten auf dem hof. sie lag in einem winkel. ein gebäudeteil aus rotem backstein, mit einer großen holztür, deren klinke ich lange nicht allein runterdrücken konnte. später stellte ich fest, dass mir mein eigenes körpergewicht half, wenn ich diese klinke runterkriegen wollte. meine hände griffen die klinke, die beine hob ich vom boden, die schwere meines körpers öffnete mir die tür. eine stufe hinunter… ein paar schritte, stand da der große waschkessel, mit einem deckel… wie ein topfdeckel aus aluminium… es war sicher kein aluminium, denn er war sehr schwer. unten vorne befand sich die kleine luke aus gußeisen, in die die kohlen geschoben wurden, um das feuer zu entzünden. einmal in der woche wurde die wäsche gewaschen, daneben in der wäschewringe nach unzähliger schrubberei unter zusätzlicher bearbeitung mit wurzelbürste und kernseife auf dem waschbrett, und den nachfolgenden spülgängen durchgewrungen. im winter hielt ich mich sehr gern an den waschtagen in der waschküche auf, weil es immer so schön warm war. links vom waschkessel stand der alte große zuber, in welchem wir vier kinder abends immer abgeschrubbt wurden, von der großmutter, nicht von der mutter. das badewasser musste für alle vier kinder reichen. ich war die älteste, meine großmutter nahm mich immer zuerst, was mir in solchen augenblicken sehr viel bedeutete, wenn meine mutter mich als älteste in anspruch nahm, bedeutete das meist nichts gutes. für mich am schlimmsten aber war in dieser waschküche das plumpsklo. ab meinem 5. lebensjahr musste ich auch des nachts allein aus dem haus, nach hinten über den hof. ich versuchte immer aufzuhalten, verkniff es mir, aber wenn ich mal ganz dringend musste, war das gerade in der nacht für mich kein vergügen, besonders im herbst und im winter. der wind pfiff nicht nur von unten nach oben durch das unter mir vorhandene dunkel, sondern auch noch von oben durch das kleine fenster, dessen gußeiserner rahmen immer so klapperte. es war kalt, dunkel… nass, es stank … zumal mein popo damals so klein war, dass ich mich immer gut festhalten musste… ich hatte immer angst hineinzufallen. schrecklich fand ich das damals. am tage allerdings fand ich vergnügen an den spinnen… vertrieb mir die zeit mit ihnen, schon damals liebte ich sie, im gegensatz zu meiner mutter, die immer wie am spieß schrie, wenn ihr auch nur die kleinste spinne begegnete, was ich oft ausnutzte, wenn ich mich an ihr rächen wollte. mehr als einmal fand meine mutter abends unter ihrem bettdeck eine spinnenkolonie. ich sammelte einfach alle spinnen, die ich im plumpsklo fand, packte sie in eine dose, hob das bettdeck meiner mutter, entleerte den inhalt der dose auf ihr bettlaken, deckte dann ganz vorsichtig das federbett wieder darüber. meiner mutter konnte ich meine eigene spinnenliebe allerdings als spinnenangst gut verkaufen, sie konnte diese angst verstehen, deshalb musste ich die spinnen auch nicht aus ihrem bett entfernen. für alles, was sie nicht tun wollte, nahm sie mich in anspruch, dass aber verlangte sie nicht von mir. das war übrigens das einzige, was meine mutter über die jahre meiner kindheit von meiner persönlichkeit wahrnahm, dass ich angst vor spinnen hatte.
welche assoziationen einem so durch den kopf gehen können, während die waschmaschine läuft. auf dem badezimmerfußboden hockend, mit der schale milchkaffee in der hand, den blick in das rotieren der waschmaschinentrommel gerichtet, bildet mein gehirn eine verknüpfung zum geruch der kernseife… diesen habe ich heute noch in der nase. der seifenblock war zu beginn immer sehr groß, die notwendig kleineren stücke wurden mit einer art feiner drahtsäge, eher einem drahtseil mit kleinen sägezähnen vom großen abgetrennt. mit der kernseife wurde damals alles gewaschen, die wäsche, die fußböden und die treppen, die schränke, die tische, die fenster, die hölzernen türen, die alte lederbank hinten auf dem hof… und die kinder.
rechts von der tür zur waschküche war gleich die tür zur glasveranda unserer damaligen vermieterin, die wir kinder tante data nannten. diese tür, und auch die von der veranda nach innen ins haus gehende küchentür stand im frühjahr für uns kinder immer offen. in dieser veranda stand ein altes biedermeiersofa, ein passendes tischchen immer mit einer feinen häkeldecke belegt, davor. 4 kleine stühle rings um den tisch. der boden war aus terrazzo, dieser boden ging auch in die küche über. links gleich am eingang zur küchentür war hochschräg in den boden eine große holztür, eher im ausssehen wie eine überdimmensionierte holzklappe, eingelassen, diese führte eine holzstiege hinunter in die vorratshaltung von tante data. regal an regal stand dort eingewecktes… schinken hingen am haken, äpfel, zwiebeln, sellerie, möhren und kartoffeln lagerten im winter unten in den holzkisten, die mit sand gefüllt waren. eine etage höher standen immer die marmeladengläser. tante data rief immer mich, wenn eines geöffnet werden sollte. das öffnen bestand daraus, dass ich die feine über das glas gespannte folie entfernen und mir mit dem finger die dicke zuckerkruste aus dem glas rausholen durfte. am liebsten entfernte ich die folie von den gläsern mit dem pflaumenmus. in den ecken auf dem boden standen krüge mit gesäuertem weißkohl, mit dem stein auf dem deckel, aber auch an der seite der wand, an der sich oben ein kleines fenster befand, ein schrank, auf welchem sich am sonnabendabend die gefäße mit dem vorbereiteten sonntagsessen einfanden, auch der große, gußeisernlängliche topf mit dem sonntagsbraten. der deckel lag immer schräg auf dem topf, damit das fleisch abkühlen konnte. ich ging oft am samstag des abends noch einmal die treppe hinunter, nur, um an dem topf mit dem fleisch zu riechen. es roch immer so gut. bei der mutter bei uns oben gab es kein fleisch, das bekamen wir sonntags von tante data. ich weiß nicht, wie oft sie mir hühnersuppe kochte, wenn ich krank war.
der garten rings um das haus war sehr groß. tante data und die großmutter versorgten uns kinder mit allem, was im garten wuchs. brot wurde einmal die woche gebacken. die tägliche nahrungssituation besserte sich für uns kinder aber erst wirklich, als die großmutter ganz zu uns zog. warum sie das tat, konnte ich erst viele jahre später verstehen. die eigene tochter, also meine mutter spannte ihr den freund aus, zeugte mit diesem meinen kleinen bruder. aus rache gab meine großmutter meinem vater die liebesbriefe, die ihr freund meiner mutter geschrieben hatte. in dieser nacht rastete mein vater komplett aus, in der früh am morgen in der folge der verletzungen meiner mutter dann mein kleiner bruder im krankenhaus geboren wurde. ich glaube, meine großmutter hatte seit damals ein schlechtes gewissen, sie sprach niemals über diese ganzen vorgänge, war aber immer meinem kleinen bruder ganz nah. in dem, was meine mutter an ihm und an uns anderen kindern nachlässig war, ließ sie nie nach. tante data und die großmutter machten das wieder wett, was unsere eltern, als eltern uns kindern ablieferten.
das beginnende schleudern der waschmaschine holt mich aus meinen gedanken, der milchkaffee in der schale ist kalt geworden. ich gehe in die küche, und drücke den einschaltknopf der kaffeemaschine, denke an den milchkaffee mit zucker und zimt, den uns tante data so oft abends in eine schale tat. trockene brotenden tunkte sie ein. bevor die großmutter zu uns kam, was das einige zeit häufig unser abendessen. tante data war damals schon sehr alt, hatte ein steifes bein aus einer kriegsverletzung und noch andere körperliche gebrechen. sie brauchte, um gehen zu können, immer einen stock. “kruckmann” nannte sie diesen. sie konnte uns kleinen kindern nicht immer so gerecht werden, wie sie gerne wollte.