Arbeitsjournal. Mittwoch, der 2. Juli 2008.

5.20 Uhr:
[Arbeitswohnung. >>>> Desert Crossroads (Mitschnitt).]Eine g a n z andere Musik heute früh; war mit der Geliebten und meinem Jungen auf dem Konzert im oberen Kesselhaus; das ging bis gegen 23 Uhr; um zwanzig nach elf waren wir dann daheim, wo die Freundin, die die Babies hütete, bei den zweien im Bett eingeschlafen war. Man saß dann noch etwas zusammen. Vorher hatte es ein schon des Besuchs halber kurzes schweres Gespräch gegeben, meiner letztzeitigen Melancholie halber, die nicht weichen will. Vorher, vormittags bis weit in den Mittag hinein, die Zahnarzt-Sitzung: eine Stunde mußte ich warten, anderthalb Stunden saß ich auf dem Stuhl, bekam meine zwei Dübel in den Oberkiefer geschraubt, dann ein Provisorium, das wahrscheinlich besser aussieht, als die von der Kasse getragenen Metallbrücken aussehen werden. Etwas anderes kann ich nicht bezahlen. (Dos kluger Satz: Wie es einer Gesellschaft existentiell gehe, sehe man an den Zähnen der Menge ihrer Mitglieder.) Ich hab so die Neigung, es bei dem Provisorium zu belassen, aber mal sehen, was der Zahnarzt sagt. Die herausgebrochenen Brücken, die ich vor über zwanzig Jahren zu meiner Brokerzeit eingesetzt bekam, waren vom Feinsten gewesen. Nun ja. Berufsopfer.
Nach dem Zahnarzt dann an dem Yeşim-Gedicht gesessen, parallel Briefe und noch etwas Weiteres geschrieben, das einstweilen nicht veröffentlicht gehört; außerdem über ein Lektorat gebeugt gewesen; Cello geübt. Der neue Cellobogen ist gekommen; ich habe den Eindruck, mich erst auf ihn einspielen zu müssen; die Haare waren ganz zu Anfang noch so talgig, daß sie über die Saiten rein ohne Schwingungen zu erzeugen wie Seife hinwegglitten, da war eine Menge Kolophonium nötig.
Heut früh beginne ich einmal mit den Lektoraten zur >>>> WERKSTATT, die immer noch liegen; bzw. prokle ich d avor an noch einer weiteren Strophe des Yeşim-Gedichts.

Zur Musik:Ein mir an sich naher Mix aus schwarzafrikanischer und arabischer, jedenfalls arabischstämmiger ausgesprochen repetitiver Folklore und aus Rock mit Jazz-Elementen; besonders in den schwarzen Stimmen schwingen noch immer die Krals, die arabischen klangen – und klingen jetzt auf der Aufnahme – eher westlich. Originale Ethno-Instrumente, vor allem im Schlagwerk, dazu E-Gittarre und -Bass, wobei ich nach wie vor Schwierigkeiten mit E-Instrumenten habe; gerade E-Gitarren klingen in meinen Ohren nicht, sondern ich habe ständig den Eindruck von elektrischen Impulsen, also nicht von Klängen, sondern tatsächlich von Laut werdenden Impulsen. Daß ich überhaupt auf dieses Konzert wollte, mag mit Malos zusammenhängen, dessentwegen mich gestern noch Deters anrief, auch der Profi noch einmal, und der mich ständig an meine eigene afrikanische Zeit erinnert; das waren doch nur sechs Wochen, von zwei späteren, je kürzeren Aufenthalten gefolgt, die aber alle ungemein prägend gewesen sind, 1986 erstmals; damals war ich auch zum ersten Mal auf Sizilien gewesen; alles wies nach tiefem Süden und vom Süden nach Osten. Der Norden und der Westen sind mir, imgrunde, bis heute fremd geblieben. (Kurz aber ein inneres Aufbegehren, als vorn der taktgebende Sänger ins Publikum deutete, daß es den Grundrhythmus mitklatschen möchte: das war ganz harmlos, ganz freundlich, lebensfreundlich; in mir aber stieg sofort wieder der Vorbehalt auf: Gruppe, Gemeinschaft, und einer will sie bestimmen, was zu tun sei, und da mach ich nicht mit. Aber das löste sich dann allmählich d o c h auf in mir, und ich wurde lockerer.)

Pünktlich um halb fünf hoch heute früh. Um fünf vor fünf radelte ich hierher los. Und verband mein DAT-Recorderchen mit der Anlage, was ein bißchen brauchte, weil offenbar eines der Überspielkabel einen Defekt hat.

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