Linsengericht. 08.07. 2008. Paul Reichenbach an diesem schönen Morgen.

….
Wer schwört, ist verrückt, im Ausnahmezustand
begeht man jedes Verbrechen. „Um dich zu sehen,
würde ich in die Hölle gehen! Wartest Du draußen auf mich?
Nein, schau, ich komme nicht.“ ….

Aus: Patrizia Cavalli, DIESE SCHÖNEN TAGE

Es ist das alte Lied vom Mangel, das ich leider singen muss. Das Lied von der verlorenen Zeit, die auch heute wieder, selbst bei intensivster Suche, sich nicht mehr finden lassen will. Seit 4.00 Uhr, die Nacht hing allzu bleiern in meinen Träumen, bin ich auf. Es ist immer besser das Bett zu verlassen, wenn Gewichte der Vergangenheit, wie aus dem Nichts kommend, die Gehirnwindungen beschweren. Von der halbschlafen Nacht müde und doch seltsam hellwach stand ich auf, ging in die Küche, kochte noch vor dem Frühstück, dabei weder an Esau und Jakob denkend, einen Linseneintopf. Während die Linsen brodelten, setzte ich Kaffee auf, briet ein Rührei mit Schinken und begann danach in aller Ruhe und Gemütlichkeit zu frühstücken. Der Nachtmahr schien vertrieben, die Gefahr von ihm erdrückt zu werden, das hätte ich schwören können, gebannt. Zwischen kleinen Schlucken Kaffee und ebenso kleinen Happen Brot mit Rührei las ich Goethe. Erfahrungsgemäß tut mir Goethe bei innerer Unruhe immer gut. Nur diesmal, ich hatte mir ein Reclambändchen auf den Tisch gelegt, war es anders.>>>Torquato Tasso. Seit Jugendtagen lese ich Dramen lieber, als sie auf der Bühne aufgeführt zu sehen. Ich schlug willkürlich den 5.Aufzug, 5.Auftritt auf und las:

…..
Ich kenne mich in der Gefahr nicht mehr
Und schäme mich nicht mehr es zu bekennen.
Zerbrochen ist das Steuer, und es kracht
Das Schiff an allen Seiten. Berstend reißt
Der Boden unter meinen Füßen auf!
Ich fasse dich mit beiden Armen an!
So klammert sich der Schiffer endlich noch
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.

Danach war mir das Frühstück etwas verhagelt, obwohl in meiner Küche kein Schiff barst und kein Boden aufriss, der mich hätte verschlingen können. Tassos Felsen allerdings imaginierte ich wohl….

2 thoughts on “Linsengericht. 08.07. 2008. Paul Reichenbach an diesem schönen Morgen.

  1. Aber werter Herr Reichenbach, das ist ja die reinste >> Stichomantie, die sie da bereits am frühesten Morgen treiben…

    “So geht es jetzt fast überall,
    Man glaubt, Orakel anzuhören
    und hört nur einen Widerhall”.

    (Hagedorn)

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