Penetrationen. Fünfzehnter August, Feuer und Flamme, Comeniusplatz abends.

Wir saßen draußen. Es regnete leicht, ich ließ mich davon nicht stören. „Wird es richtigen Sex zwischen uns geben, oder schließen Sie das aufgrund Ihrer Ehe aus?“ Ihre Direktheit machte mich einen Moment lang stumm. Sie setzte nach: „Als ich fast regungslos auf der Couch lag und eigentlich kurz vorm Fliegen war“ – ihr Kopf hatte im Genick so rückgebogen von der Couch gehangen, daß die Lippen, die Mundhöhle und der Hals einen geraden Tunnel formten, der sich eng um den stampfenden Kolben schmiegte – „warum haben Sie da nicht weitergemacht?“ Sie hob ihr Glas, trank, stellte das Glas wieder ab und sah mir direkt in die Augen. „War ich Ihnen zu nahe gekommen“, fragte sie, „und Sie hatten nicht mehr die für Sie nötige Distanz?“ Meine Stöße hatten ihr die Tränen in die Augen getrieben, mehrmals war sie kurz davor gewesen, sich zu übergeben. Ich hatte ihr ins Gesicht gespuckt. „Oder“, fragte sie, „hatten Sie Angst, die Kontrolle zu verlieren? Macht es Ihnen besonderen Spaß, eine Frau wie mich so weit zu bringen und sie dann einfach liegen zu lassen?“ Ich wollte gegenfragen, wollte fragen, was sie daran genießen konnte, daß sie wie ein Stück Fleisch vor mir lag, an dem man sich seelenlos vergeht; aber das wäre eine unehrliche Weiterdrehung der perversen Schraube gewesen; es hätte zwar, möglicherweise, das Spiel wieder ausbalanziert, aber auf Kosten der Wahrheit. „Ich penetriere“, sagte ich, „nur, wenn ich liebe.“
Sie lächelte. Das war ohne Schmerz, es war rein klar. Sie stand auf. „Dann“, sagte sie, „haben wir uns nichts mehr zu sagen.“ Ich stand ebenfalls auf und gab ihr die Hand. „Leben Sie wohl“, sagte ich. „Mir ist kalt“, sagte sie, „leben Sie ebenfalls wohl.“ „Ja, es wird Herbst“, sagte ich. Ich sah ihr nach, dann setzte ich mich wieder und blieb für mich noch eine Stunde sitzen, wozu ich Bier trank und Verse las.

…. audite quanto Amor le fece orranza,
ch’io ‘l vidi lamentare in forma vera
sovra la morta imagine avvenente;

e riguardeva ver lo ciel sovente,
ove l’alma genitl già locata era,
che donna fu di sì gaia sembianza.