schade eigentlich…

… der tag soll sich einregnen. ich hatte mir für heute vorgenommen, der welt größten parkfriedhof zu besichtigen. 391 hektar groß, 17 km straßennetz. man kann mit dem auto hineinfahren, und es dort auch auf den dafür vorgesehenen parkplätzen abstellen. als ich das erste mal die fuhlsbütteler entlang fuhr, fand ich dieses große eingangsportal so schön, fragte mich, was das wohl für eine anlage ist. „ein friedhof“ sagte meine freundin. ich schaute mir bei googlemaps die sattelitenaufnahme des areals an, und fand eine website… mit wunderschönen aufnahmen, plänen für einzeln zu gehende routen mit den entsprechenden informationen über diese bereiche. ich werde es auf morgen verschieben, weil der sonntag kein verregneter tag werden soll. meine freundin will mitkommen. sie ist zwar, was die thematik der endlichkeit des lebens betrifft, sehr angefasst, hat sich aber inzwischen wieder etwas beruhigt. das zuerst bei der mutter diagnostizierte lungenkarzinom ist eine metastase, die ursprüngliche krebsquelle fanden die ärzte im rücken. „nicht heilbar“ ist die diagnose. die therapie, die jetzt angesetzt ist, wird eine palliative werden. ich erlebe hier auch wieder das, was ich oft während meiner hospizarbeit erfahren habe. beide, der betreffende und die angehörigen können nicht miteinander reden. die mutter will nicht, weil sie ihr kind schonen will, die tochter schweigt, weil sie über ihren bruder, der medizintechniker am gleichen krankenhaus ist, in dem die mutter behandelt wird, die tatsächliche diagnose auf umwegen erfahren hat, die mutter aber das eben nicht wissen soll. es wird irgendwann der zeitpunkt kommen, in dem sich jemand fremdes, eine ausgebildete fachkraft, dazwischenschalten muss, um zwischen beiden die möglichkeit einer wahren kommunikation zu schaffen. dieses nicht miteinander reden können, ist schon schwer, aber das daraus resultierende schweigen ist noch viel schwerer zu tragen. ich habe meiner freundin gesagt, dass wenn diese wand, vor der beide da stehen, erst einmal abgebaut ist, durch ein annehmen ein reden tatsächlich möglich ist. so schwer das ist, muss man mit ganz viel liebe dem schmerz und der angst gestatten, d a sein zu dürfen. so ist man dann auch dazu in der lage, die noch verbleibende zeit wirklich nutzen zu können. aber ich will hier nicht zu viel schreiben, sonst wird mir nachher wieder sonstwas nachgesagt. ich bin oft, auch während meiner jahre in der hospizarbeit, angegriffen worden, weil ich zu dieser thematik eine so ganz andere einstellung habe. es verstand niemand, wenn ich sagte: „manchmal beschränkt sich das leben zum schluß auf ein erdbeereis.“ (igittigitt, mein rechtschreibprogramm macht da gerade „erdbeerais“ draus, ich muss das unbedingt abstellen). ich begleitete vor einiger zeit, ist noch garnicht so lange her, einen mann in seinen letzten drei monaten. er hatte ein absolutes format und eine sehr hohe bildung. das, was er mitbrachte, als er sein zimmer im hospiz bezog, waren seine bücher. oft las ich ihm vor, aber genauso oft fragte ich ihn: „was möchten sie heute tun?“ „erdbeereis essen“ war seine antwort. er liebte erdbeereis über alles. solange es möglich war, setzten wir ihn in einen rollstuhl, und gingen mit ihm zur eisdiele um die ecke. er wollte einfach „nur raus.“ später dann brachte ich ihm das erdbeereis mit, wenn ich zu ihm fuhr. am letzten tag, an dem er abends starb, aß er auch noch eines. bevor ich handelte, fragte ich immer die leitung der institution, die ich immer im rücken hatte. „sie wissen doch, dass sie ihren job verfehlt haben?“, damit meinte sie meinen brotjob. „ich brauche einen brotjob, von dem ich mein kind ernähren kann. außerdem bin ich s o frei in meinen entscheidungen, in bezug auf meinen umgang mit den menschen“ sagte ich ihr damals, aber es gab genug kolleginnen und kollegen, die mir meine einstellung neideten. sie verfuhren mit dem menschen immer nach einem erlernten schema, welches diesen nicht immer gerecht wurde. mein anderes handeln ließ mich oft anecken, aber damit konnte ich leben.
es ist wirklich sehr eigen, immer wieder lerne ich menschen kennen, in deren leben kurze zeit später genau diese thematik existent wird. so wie bei meiner freundin jetzt. wir kennen uns noch nicht lange, erst ein halbes jahr. in diesem wurde sie wirklich zur freundin. zu anfang haben wir uns immer ganz ungläubig angeschaut, später nur noch gegrinst. wir sind uns so ähnlich, und trotzdem ganz verschieden, was diese freundschaft sehr bereichert. wir haben die gleichen bücher im regal, tragen die gleich jacken… fahren das gleiche motorrad. auch unsere vorlieben in bezug auf das essen sind fast gleich. vor einigen wochen kaufte ich mir schuhe, besuchte eine woche später meine freundin, fand die gleichen schuhe im flur vor der kommode auf dem fußboden stehend: „hab ich mir letzte woche gekauft“… und wieder mussten wir grinsen. „fast wie schwestern“ sagte sie. „nee… schwestern sind immer sehr unterschiedlich. außerdem haben schwestern immer ein fläschchen nagellack in der handtasche, mit der man die laufmasche in der strumpfhose stoppen kann. du hast gar keinen nagellack. schwestern leihen sich etwas, geben es manchmal wieder zurück. du gibt alles zurück, was ich dir ausleihe.“ aus diesem sich entwickelnden gespräch wurde ein lustiger abend. wir achten und respektieren uns so, wie wir sind. „also doch wie schwestern.“ „na ja.. so ähnlich.“ „ich wollte schon immer eine schwester haben.“ „die liebe einer mutter ist oft ein wenig blind, die einer schwester nie.“ „siehst du, genau darum wollte ich schon immer eine schwester haben.“ „dann hast du jetzt jemanden an deiner seite, mit dem du durch dick und dünn gehen kannst, das ist versprochen.“ „das klingt so gut, und tut gut. danke.“ mal sehen, wie sich diese freundschaft entwickeln wird. da ist wirklich etwas zwischen uns, was einfach d a ist. als wir uns das erste mal begegneten und uns ansahen, wussten wir das.
meine schwester rief mich gestern abend noch spät an: “ich möchte mit meiner schwester noch eine rauchen.” “eine gute idee.” “ich vermisse dich, würde dich gern einmal wieder in meine arme nehmen.” “hmm.. mir geht es auch so.” „du, ich bin wirklich ein ganz armes schwein.“ „wie?…“ „ja, ich bin tatsächlich ganz arm, ich hab’s jetzt schwarz auf weiß.“ „wie meinst du das?“ „meine anwältin schrieb mir, hat mir jetzt genau ausgerechnet, dass mein einkommen 45,– euro unter dem hartz 4 anspruch einer mutter mit zwei kindern in derselben situation liegt. sie hat mich gefragt, wie ich das die ganzen jahre allein mit diesem einkommen geschafft habe, und beide kinder auch noch abitur haben.“ „und???… was hast du geantwortet?“ „das ich meinen kindern nur zweierlei schuldig bin, eine blaue jeans und ein weißes t-shirt vom aldi und die möglichkeit einer hohen bildung.“ da musste ich sehr lachen, aber witzig fand sie diesen vergleich ihrer einkommenshöhe nicht. ihre anwältin hatte das ja schon einmal in einem gespräch angedeutet, aber so recht glauben wollte meine schwester das nicht. im weiteren verlauf des gespräches wurde unser bruder dann noch thema. wir machen uns große sorgen um ihn. wenn er nach den 14 stunden seiner körperlichen arbeit nach hause kommt, stellt er sich selbst in die küche, kocht sich etwas sehr leckeres und gutes, weil seine frau das nicht tut, danach knallt er sich noch eine ganze flasche wein rein, bleibt auf dem sofa liegen und schläft vor dem fernseher ein. „ich hab doch im augenblick nichts anderes“ sagte er meiner schwester am telefon. der beruf und die familie fressen ihn auf. er ist allerdings unseren bedenken kaum zugänglich, ist völlig dicht, reagiert abwehrend: „laßt mich doch einfach alle in ruhe.“ wir überlegen, ob wir ihm einen gutschein für eine angeltour besorgen, damit er mal ein ganzes wochenende nur für sich sein kann.
mein blick gerade aus dem fenster sagt mir, dass der tag zwar heller erscheint, es aber trotzdem immer noch bindfäden regnet. ich werde diesen tag mit „rummuckeln“ verbringen, muss die wohnung aufräumen, altpapier wegbringen, wäsche waschen, die hitze, die der wäschetrockner während des trocknens der wäsche abgibt, wird bei geöffneter badezimmertür meine dachwohnung, die immer sehr schnell auskühlt, ein wenig erwärmen. die heizungen werden hier im haus nur in den r-monaten angestellt, früher bekam ich in den r-monaten auch immer diesen ekligen lebertran, der so fischig schmeckte. nachher noch einkaufen. überlege mir, was ich essen möchte. mir ist nach etwas handfestem… ordentlichen. wahrscheinlich wird es eine rindfleischsuppe mit viel gemüse und eierstich werden. die kann ich dann zwei tage essen, bin sowieso ein suppenkasper. heute abend ein schönes buch und ein glas wein, die kerzen kann man auch langsam wieder rausholen. es wird früher dunkel. in dieser beginnenden jahreszeit habe ich immer viel kerzen stehen. sie wärmen mich, ich frostköttel ich…. meine großmutter sagte immer „frostköttel“ zu mir, weil ich in der kindheit ständig fror. auch heute friere ich schnell, kann kalte winde nicht so gut vertragen, kalter wind geht immer so nach innen. das bedeutet nicht, dass ich nicht rausgehe, wenn es kalt ist, oder stürmt. ich liebe nächtliche spaziergänge in einer kalten, sternenklaren winternacht, besonders dann, wenn die stadt in der nacht so still ist, und laufe auch meine 10 kilometer gegen den wind und den regen. ich brauch dann halt geeignete jacken, die mich warm halten und ein mützi. es ist mir auch völlig egal, wie das aussieht. meine schwester würde ums verrecken nicht eine mütze tragen. „nie im leben nich.“ „ja.. du frierst dir lieber die ohren ab, und klagst den nächsten tag über kopf- und ohrenschmerzen.“ „das sieht einfach scheiße aus…“ „das ist mir wurscht…“ die hitze eines sommers dagegen kann ich sehr gut vertragen. trotzdem sind meine mir liebsten jahreszeiten die, die den wandel in sich tragen, ganz besonders der herbst.
meine orchideen treiben im moment kleine spielchen, zumindest sieht mein blick durch die kamera das so. und… zwei von ihnen tragen inzwischen schwer an ihren blüten.