Arbeitsjournal.Montag, der 6. Oktober 2008.

6.58 Uhr:
[Arbeitswohnung. Berlioz, Bénedicte und Bérénice (Cass.-„Projekt“ Nr. 68).]
Bin gestern doch nicht mehr weg, sondern habe eine DVD nach der anderen angesehen; ab mittags fing mein Nacken an, steif zu werden und zu schmerzen, auch das ein Grippe-Ergebnis wahrscheinlich, also verpackte ich ihn gut, hab ihn noch immer gut und fest verpackt, bei Wärme nervt er nicht so. Und hab abermals durchgeschlafen, bis halb sieben sogar; das wird ein bißchen problematisch werden, meine innere Mechanik wieder auf halb fünf umzujustieren. Aber mir sind solche Phasen wiederum nicht unbekannt, so daß ich sie als Phasen auch erkenne. In solchen Zeitspannen hat sich Sherlock Holmes immer eine 7prozentige Kokainlösung gespritzt, wovon ich, weil nicht Detektiv, besser absehe.
Ich werd hier erstmal Ordnung machen, damit ich nicht verwahrlose.

9.03 Uhr:
[Bernstein, Dubbyk (Cass.-„Projekt“ Nr. 72).]
Es ist schon nicht zu fassen, mit welcher Chuzpe eine Buchhändlerin, mit der ich mal eine D/s-Session hatte, mir soeben vorgeschlagen hat, eine Lesung zu veranstalten, „um Ihr Werk zu verbreiten“, wie sie aber zugleich kein Honorar zahlen will. Gut, denkt sich der dominante Macho-Autor, dann nehme ich das Honorar halt als Naturalie, die will sie ihm auch gerne geben… doch wenigstens, finde ich, sollte die Buchhandlung die Fahrtkosten tragen – es ist ein weiter Weg von Berlin zu ihr hin. Aber nein, die soll man selber zahlen. Auf dieses Ganze dann noch das Label „Ich bin Geschäftsfrau“ geklebt. Na hallo, dachte ich mir und beendete den Kontakt. „Sie sind Geschäftsfrau, ich bin Profi“, tippte ich und schaltete den Messenger ab. Woraufhin ich dann später die Nachricht finde: „Ich mag Ihre Werke sowieso nicht.“ Welch eine Vermischung von lüsternem Privatbedürfnis und Profession. Und welche Banalität! Hätte sie zu Anfang einfach geschrieben, sie wolle unbedingt wieder mit mir vögeln und suche einen Weg, mich zu ihr zu bekommen, na gut, das wäre eine Haltung gewesen. Aber dieses „ich will etwas für Ihr Werk tun“, das sie dann „sowieso nicht“ mag… nee, das ist unerträglich.
Ordnung ist hergestellt. Ich geh jetzt Brot und Wein kaufen, dann ans Cello.

15.38 Uhr:
[John Blow, Venus & Adonis (Cass.-„Projekt“ Nr. 73).]
Den Jungen zur Musikschule gebracht danach zu einer Geburtstagsfeier, die als Gruselparty gegeben wird; das Judotraining läßt er deshalb ausfallen. Kurz vorher am Terrarium vorbeigeschaut, um sein Cello zu holen. Nun hat die Grippe da drüben alles flachgelegt; ziemlich maue Stimmung. Na gut. Ich hocke über einem neuen Partikelchen der >>>> Kleinen Theorie des Literarische Bloggens; außerdem über einer spitzen Provokation zum Verhältnis von neuerer Musikgeschichte und Kapitalismus; ich bin ja überzeugt davon, daß der Pop d i e ästhetische Ausdrucksform des demokratischen, d.h. auf Einschaltquoten justierten Kapitalismus ist (es gibt, >>>> wie Schirrmacher richtig sieht, auch einen anders, nämlich autokratisch justierten). Letztlich hat das auch etwas Tragisches, weil doch diejenigen, die den Pop favorisieren, oft gerade Gegner des Kapitalismus gewesen sind; sie haben insofern gar nicht bemerkt, wie sie ästhetisch unterlaufen und dann umgeprägt wurden. Das hat durchaus etwas mit einer Gehirnwäsche zu tun, wie Adorno sie seinerzeit schon wirkend sah.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .