jammern wollte ich heute eigentlich…

…. darüber, dass ich es einfach nicht schaffe, meinem chef so etwas wie eine struktur in seiner eigenen abwicklung beizubringen. er sagt zwar immer: „ok, mache ich, ist eine gute idee“, aber beim nächsten mal ist doch alles wieder verschusselt, untergegraben, sonst wo hingelegt. von mir erwartet er akrobatische gedächtnisleistungen, ich muss sonstwas von sonstwann erinnern können, er baut stapel auf stapel in jeder ecke, anfassen, oder gar wegräumen darf ich diese aber nicht, und erwartet dann von mir, dass ich weiß, mit was er welchen stapel untergrub. wenn die türme drei oder vier wochen dann schon vor sich hinstehen, räum ich sie letztendlich doch weg: „ah… wo haben sie denn das gefunden, ich such’s schon seit tagen.“ obwohl mein chef wirklich sehr nett ist, war der heutige tag für mich derart anstrengend, eben weil er zeit hatte, sich um die dinge zu kümmern, für die er sonst keine zeit hat, weil keine termine in seinem kalender standen. keine termine deshalb, weil eine für heute geplante ganztägige dienstreise kurzfristig abgesagt wurde. mein hirn ist heute platt, nichts geht mehr.
so ausgepowert nach hause kommend, den briefkasten öffnend, lächelte ich bei dem anblick dessen, was ich in meinen händen hielt. oben angekommen das päckchen sofort geöffnet, wusste ich, dass da jemand, wie immer einmal im jahr, vielleicht auch noch öfter, an mich dachte. ein französisches kinderbuch lag in der kleinen umverpackung, genau die ausgabe, die ich schon so lange suche. „la naissance de celestine“ von gabrielle vincent, duculot, 1986. es ist ein bilderbuch aus der serie “ernest und celestine”, die in den deutschen ausgaben “mimi und brumm” heißen, was ich ganz schrecklich finde, mit einzelnen sätzen unter einigen bildern, die ausgabe, in der die zeichnungen noch nicht zusätzlich farbig unterlegt sind. ernest ist der bär mit einer wirklich grenzenlosen gutmütigkeit, celestine ist die kleine maus, unausgewogen quirlig, mit einem sehr eigenen kopf, ab und an eine nervensäge, mit jeder menge flausen im kopf. mit einem genauen blick, und wenigen strichen schaffte gabrielle vincent aus den alltäglichkeiten der beiden, sei es eine zerbrochene tasse, eine neue bettdecke, ein weihnachten, oder ein frühstück, kleine geschichten, wiewohl hier die einzelnen zeichnungen jeweils auch noch eine eigene kleine geschichte erzählen, so rührend, so anmutig, wie nebenbei, und doch genau s o, ohne jeglichen anstrich von kitsch. diese ausgabe von 1986 ist für mich eine so schöne… deshalb, weil diese zeichnungen aus diesen wenigen strichen bestehend, noch sepiafarben auf weißem grund sind, und auch deshalb, weil es für mich die schönste geschichte der beiden ist. es ist die, in der er sie findet. ganz klein, die augen noch nicht geöffnet, einfach in die müllkiste geworfen, hüllt er sie in seine warme jacke und nimmt sie mit nach hause. die ersten tage schläft sie nur, er ist damit beschäftigt, sie zu füttern, zu baden, sie zu wärmen, in ihrer für sie extra angefertigten kleinen hängematte in ihren schlaf zu schaukeln, oder sie in ihr bettchen oder auch in sein bett zu legen. die ganze zeit, die in dieser vergeht, sieht er sie immer wieder an, wartet auf eine reaktion, vergißt alles um sich herum, auch den tag und die nacht. bis eines morgens: „elle ouvre un oeil“, und dann am abend: „et le soir elle a ouvert l’autre oeil.“ meine freundin, die mehrere jahre in paris lebte, hat dieses büchlein in ihrem schrank stehen. als ich es bei ihr sah, machte auch ich meine augen auf, sah sie an, und war erst einmal für eine weile verschwunden. ernest und celestine atmen in ihren büchern, klettern durch einen riss in der geschichte, mehren küsse, singen und streiten sich, ab und an reiben sie sterne blank. ich finde es nur schade, dass es bei den späteren ausgaben nicht bei diesen einfach schönen zeichnungen geblieben ist.
dieses geschenk versöhnte mich mit diesem tag, es ist eben ein nicht alltägliches, auch deshalb, weil er wusste, dass ich genau diese ausgabe so lange suchte. manchmal finde ich getrocknete blumen zwischen den seiten der jährlich geschickten bücher. in einem steht mit blauer tinte in markant großen buchstaben geschrieben: „einfach nur so….“

jammern wollte ich heute eigentlich… tu ich aber nicht. mein chef kann so viel stapeln, wie er will, ich werde dieses verhalten bei ihm nicht ändern können. ich kann versuchen, es auszugleichen, irgendwann wird er selbst davon die schnauze voll haben, oder auch nicht…. aber manchmal könnt auch ich eine hängematte gebrauchen, so eine kleine….