„Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“, heißt es bei Borges.

Der Satz ist nicht nur grammatisch eine Unterschlagung (zu lesen, zu denken). Zu lesen bedeutet eben auch, mit fremdem Gehirn zu fühlen. Der Körper fühlt nicht, er empfindet und auch das nur vermittelt. Zu fühlen ist eine Funktion der Hirnchemie, die keiner körperlichen Stimulation bedarf außer insofern das Gehirn selbstverständlich a u c h Körper ist. So der Geist. (Nicht etwa fühlt ein Herz, sondern es pumpt; es gehört der mechanischen Welt an, nicht etwa einer innerlichen.)

(CDXLXXVI).

4 thoughts on “„Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“, heißt es bei Borges.

  1. Spiegelneuronen Man denke nur an die sogenannten Spiegelneuronen, die im Gehirn während der passiven Betrachtung eines Vorgangs die gleichen Areale befeuern (mit entsprechender Hormonausschüttung), wie bei aktiver Selbst-Tat – der Schritt zum ausagierenden Nachvollzug der Handlung allerdings verhindert durch eine Art Blockademechanismus. Die Folgen für unser Verständnis der Ursprünge jeglichen Kulturschaffens als Spiel mit den Zeichen (als Zeichen für Zeichen), der Sprache, Mimesis und Empathie – aber auch der “Lust” an der Grausamkeit (des Theaters, des Horror-Kinos)…?

  2. Sehr interessant was Sie hier schreiben. Ich entdecke gerade Borges, lese nur noch Borges, kommt man aus diesem Rausch wieder raus und will man das überhaupt?

    1. @Borgesentdecker. Man kommt lange nicht heraus, aber das ist völlig in Ordnung. “Was ist an einem Buch gelegen, daß einen nicht e i nmal über alle Bücher hinausträgt” (Nietzsche)? Borges bleibt dann auch später, wenn andere Gifte sich hinzumischen, im Körper erhalten – sofern man dafür anfällig war. Er selbst bietet einem die anderen Gifte ja an: Kipling vor allem, dann die großen Phantasten, der Weg ist nicht weit >>>> zu Góngora, überhaupt zu den spanischen Manieristen (indes Borges’ Stil fast gläsern scharf ist), dann zu all jenen, die durch ihn schwer beeinflußt waren, etwa Cortázar, Hamsun wird dazukommen, der Döblin von “Berge, Meere und Giganten”. Große Dichtungen sind auch weniger Zwiegespräche, denn Diskussionen durch die Jahrhunderte in spürbarer Gleichzeitigkeit; Borges hat das, wie auf ganz andere Weise Arno Schmidt, erfaßt, jener aristokratisch, dieser mit der Rumpeligkeit eines sich ins Geniale vergrummelnden Kleinbürgertums… also keine Sorge, Borges ist keine orientalische Mama, die nicht loslassen kann.
      Ich bin ihm übrigens einmal persönlich begegnet. Den Bericht darüber finden Sie in einer der Erzählungen >>>> dort.

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