das haar ist wieder ab…

…. der nacken frei, die ohren auch. hatte überlegt, sie wachsen zu lassen. ich kann es aber nicht haben, dieses gezutzel hinten im nacken. ich bin den freien hinterkopf inzwischen so gewohnt, auch, daß nichts über die ohren wächst. raspelkurz sind sie. „kann nicht jede frau tragen“, sagte mir meine friseurin.
leider geriet ich, obwohl sie ja gut schneidet, kurzfristig außerhalb der beabsichtigten kontur, was sie dann wieder korrigieren mußte. eine frau, geschätzt mein alter, saß neben mir. ihr haar war fertig frisiert, ihre friseurin fragte sie, ob sie noch ein makeup möchte, kostenlos versteht sich. sie druckste ein wenig herum, sagte dann leise: „na ja, mein mann mag das nicht so gern, wenn ich mich schminke.“ sie sah tatsächlich sehr blaß aus, wirkte wie still verbittert, traurig, kein lächeln im gesicht. ich dachte: „ein wenig wimpertusche würde ihre augen ein wenig mehr leuchten lassen, ein bißchen farbe auf die wangen.“ nach ein paar vorschlägen ihrer friseurin ließ sie sich darauf ein. und tatsächlich, als sie fertig geschminkt war, wirkte ihr gesicht ganz anders. ungläubig schaute sie in den spiegel, ich sah, daß sie sich freute… weil sie so lächelte, wie sie lächelte.
da öffnet sich die tür zum salon, brüllt eine stimme durch das geschäft: „inge?….. i n g e, wieso bist du noch nicht fertig, ich sagte doch, wann ich dich abholen würde.“ zu der dame am tresen gewandt: „geben sie mir mal die jacke meiner frau“, in einem ton, der absolut zu wünschen übrig ließ. da schwoll schon mein kehlkopf an. „da fehlt ein bitte“, sagte ich laut, ihn ansehend. „wie bitte?“ „genau, da fehlt ein bitte, wenn man von einem menschen etwas möchte, sagt man bitte, das lernen schon die kleinen kinder.“ seine frau hatte sich bis zu diesem zeitpunkt noch nicht zu ihm umgedreht, tat das aber genau in diesem augenblick. er stutzte, stampfte mit riesenschritten, seine frau im blick fixierend, durch das geschäft, blieb vor dem spiegel stehen, vor dem seine frau auf ihrem stuhl noch saß: „wer hat denn dir eins auf die schnauze gegeben.“ meine friseurin konnte nicht so schnell reagieren, wie ich reagierte, ich schoß aus dem stuhl hoch, mein umhang blieb an dem kleinen arbeitswagen meiner friseurin hängen, der natürlich umkippte, riß mir den umhang ab, brauchte nur vier schritte zu ihm: „wissen sie was?… eigentlich sollte frau ihnen als mann jetzt so richtig eins auf ihre schnauze hauen, oder noch besser, welche farbe hätten sie denn gern auf ihrem oberlid, veilchenblau oder lilagrün.“ völlig verdattert guckte er mich an, vor mir stehend war er kleiner als ich, als ich das feststellte, wuchs ich kurzentschlossen auf meine doppelte größe an, baute mich vor ihm auf. er reagierte immer noch nicht, blaffte seine frau an: „mach das zeugs sofort wieder ab.“ „warum soll sie das wieder abmachen?“ fragte ich ihn provozierend. „das kann ihnen doch scheißegal sein.“ „wenn ein mann sich seiner frau gegenüber vor fremden menschen so verhält wie sie, kann das keiner frau egal sein.“ „frechheit so etwas“ kam von einer frau, die zwei plätze weiter saß. „unverschämtheit, sich seiner frau gegenüber so zu benehmen“ kam von der rechten seite. „noch so einer, der mit sich selbst nicht klarkommt, und seine frau muß es jahrelang ausbaden“ kam von der linken seite. dann war es still. ich fragte ihn noch einmal: „warum soll ihre frau das wieder abmachen?“ „ich will nicht, daß sie aussieht wie ein tuschkasten.“ „ahja… sicherlich sagten sie ihrer frau schon sehr oft, daß sie sie so lieben wie sie ist, daß sie sich aus diesem grunde doch nicht zu schminken braucht.“ „ja… das hab ich ihr schon so oft gesagt.“ mucksmäuschenstill war es inzwischen im ganzen salon. „und wie oft haben sie ihre frau in den 20 jahren ehe schon gefragt, warum sie sich nicht auch so nett wie andere frauen zurechtmacht?“ seine frau fing an zu husten… lachte gleichzeitig. „mindestens….. s o viel mal“ sagte sie, hob ihre beiden hände, öffnete sie mehrere male ganz schnell und schloß sie wieder. er guckte mich an wie ein auto, bloß nicht so schnell, und schwieg. „das sie es nicht mögen, wenn ihre frau sich schminkt, ist noch lange kein grund, sie vor fremden menschen so bloßzustellen, wie sie das eben gemacht haben. schon mal was von achtung und respekt im umgang mit der eigenen ehefrau gehört?“ er schwieg immer noch. ein kurzer augenblick der stille…. ich konnte es kaum glauben, ein händeklatschen begann. der salon war voll, alle stühle besetzt. meine friseurin pfiff durch ihre finger. er hatte eindeutig den kürzeren gezogen, was wahrscheinlich eh sein grundsätzliches problem in seinem leben ist. „gut, dann laß das zeugs mal drauf“ wandte er sich zu seiner frau. die friseurin, die sie geschminkt hatte, kam dazu: „ich habe hier eine kleine sammlung proben ausgesucht, probieren sie sie zu hause aus. wir können es das nächste mal gern wiederholen, sie können auch einfach mal vorbeikommen, und farben und techniken ausprobieren. „die willst du doch wohl nicht mitnehmen“ sagte er zu seiner frau. „doch, ich nehm sie mit. und damit du’s weißt, ich werde mich künftig schminken, mir ist egal, ob du damit einverstanden bist oder nicht. hast du mich je gefragt, ob ich mit deinem aussehen einverstanden bin?“ ihren blick richtete sie auf seinen bauch. innerhalb von einer sekunde zur anderen vollbrachte er jene anatomisch männliche glanzleistung, für die wir frauen manchmal drei monate, oder noch länger brauchen. „würden sie mir jetzt bitte die jacke meiner frau geben?“ fragte er eine andere junge dame. „ja, wenn sie mir sagen, welche die ihrer frau ist, sehr gern“ bekam er zuckersüß lächelnd zur antwort. „wenn sie jetzt auch noch den haarrschnitt ihrer gattin bezahlen, sind sie aus dem schneider“ grinste ich ihn an. „das macht sie sonst immer selbst.“ „das dachte ich mir, vom haushaltsgeld, oder?, bezahlen s i e ihn doch mal, und schenken sie ihn ihrer frau.“ ich glaub, da war er völlig gebügelt, guckte nur, sagte nichts mehr, ging zur kasse, und bezahlte seiner frau ihren haarschnitt. war mir klar, daß er das nicht auf sich sitzen lassen konnte, nicht vor einer versammelten frauenschaft.
ich setzte mich wieder auf meinen stuhl, meine friseurin grinste: „das war nötig. ein unausstehlicher typ.“ die chefin kam: „ich hab hinten noch eine flasche prosecco, die machen wir jetzt auf.“
ein friseurbesuch… so ganz ohne klatsch und tratsch, tat auch mal gut.

wie oft habe ich das schon registriert: „och schatzilein, schmier dir doch dies ganze zeugs nichts ständig ins gesicht, du brauchst dich doch überhaupt nicht zu schminken, ich liebe dich doch so wie du bist.“ 15 jahre später: „guck mal, die frau da drüben hat sich wirklich nett zurechtgemacht, wieso machst du das eigentlich nicht.“

danke für’s gespräch.