Sprachscheu. 19.11. 2008. Paul Reichenbachs Säumnisse.

Danke Diadorim, Danke Herr Aikmaier, dass Sie mich an meine Säumnisse erinnern. Der kleinen Meerjungfrau, ein Gemisch aus flüssigen schwebenden Teilchen, – ihr Mandelaroma dehnt sich seit gestern im Raum, – der Milchhexe vom nahöstlichen Zweistromland bin ich noch einen Bericht über meinen Aufenthalt, es ist lange her, zwischen „Euphrat und Tigris“, auch der Wortfunken wegen, schuldig. Warum Paul es bisher unterließ? Möglich, dass er daran dachte, dass Sprache in allen Sätteln reitet und viel zu früh enthüllt, was kaum ein Gedanke streift. Denn so wie man/frau an der Stimme den Sprecher erkennen, so erkennt man den Schreiber am Wort, egal ob es digital per Mail oder postalisch auf Bütten versandt wird. Natürlich, sie hat ja Hände, kann sie ihm schreiben, denn lässt sich doch alles in einem Mantel von Sprache verbergen. Auch dann, wenn beim Schreiben oder Sprechen jede Art Fluchtgedanken versiegen, weil das Wort gefasst sein will und berühren soll. Sprachscheue Gedanken sind nur Traumbesitz und sonst nichts. Sind paradoxer Konjunktiv im Vakuum. Ein wortfreies Denken gleicht einem Wetterleuchten auf den Terrassen von Baalbek am späten Nachmittag. Nichts als dröge Hitze, der Wunsch ins etwas kühlere Sizilien zurück zu kehren, ergreift von mir Besitz, als ein Schmetterling mir samten die Wange küsst… Nein – so war es natürlich nicht. Euphrat und Tigris sind gelogen und die Terrasse auf der Paul saß, war ein billiger Plastestuhl in einem Tanzlokal in Leipzig, die Band hieß glaube ich „Meridas“, ihr Sänger ahmte auf wenig gekonnte Weise die tänzelnden und stampfenden Schritte von Mick Jagger nach, der ganze Saal brüllte „Satisfaction“, als er sie zum ersten Mal sah. 2 Jahre später, in >>>Peitz beim Jazz, darüber muss unbedingt berichtet werden, sahen sie sich wieder. >>>>Günther Baby Sommer am Schlagzeug trommelte gerade ein Solo, es war Nachmittag, ein Zitronenfalter hing mit geklappten Flügeln am Pianoboden und ließ sich nicht erschüttern.
Da sprach er sie an. . .

Postskriptum:
Diferencias

Entre Hölderlin y la locura de Hölderlin
hay diferencias.
La poesía no es un destino.
Nadie sabe quién es la poesía para ella.
En el recinto del cielo hay jaulas
sin astros ni dolor. ¿La
niñita que dio vuelta la esquina
llorando es absurda? ¿Como
el sonido de mi hambre hoy? ¿La insania
camina por la calle? ¿Se queda
en cualquier casa?
¿La tuya?

Juan Gelman (Argentinien)

UNTERSCHIEDE

Zwischen Hölderlin und dem Wahn Hölderlins
gibt es Unterschiede.
Die Poesie ist keine Bestimmung.
Niemand weiß, wer die Poesie für sich ist.
Im Himmelsgehege gibt es Käfige
ohne Sterne noch Leid. Ist das
kleine Mädchen, das weinend um die Ecke
kam, abwegig? Wie
das Geräusch meines Hungers heute? Geht
der Unsinn auf der Straße? Bleibt er
in irgendeinem Haus?
In deinem?

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