A. D. VIII Id. Mart. Anno 2762 a.u.c.

Achter Tag vor den Iden. Dies fastus. Die Krone [wohl: Corona borealis] geht auf (Ovid). Die Fische gehen dort auf, von wo der Aquilo [NNO] weht (Plinius).
Ein zartes Rosarot bereitet hoch hinaus über den dunklen Soratte in Striemen mit Umrissen, die keine sind, dem Tag einen Abschied, wie man ihn sich wünscht, ob auf Bahnsteigen oder in irgendeiner Straße oder an irgendeiner Tür: ein sanftes Scheiden. Die Hand, die sich legt und liegend noch sich wieder hebt. In der Luft dann noch die Erinnerung berührt, wie um sie mitzunehmen. Um dann schließlich wieder im Zweckmäßigen der Handhabungen ihre eigene Dunkelheit wiederzufinden, da sie dann nicht mehr sehen, was sie routinemäßig tun. Und so ist in dieser kurzen Zeitspanne auch all das Rosa einem bläulichen Grau gewichen, das nicht sehr widerstandsfähig aussieht und bald dem allgemeinen Dunkel weichen wird, während die Kartoffeln kochen. Die dann gekrönt von Fischstäbchen (die Fische mußten doch noch irgendwie rein, die Krone auch)… So ungefähr. Manchmal schaue ich mir die Spinnweben an, die hier in zwei-drei Ecken – ich würde sagen: – leben, denn ich habe sie nie entfernt. Das Anschauen der Spinnweben ist Anlaß dafür, an Spinnweben zu denken. Wie alles Anschauen. Lediglich das Bedürfnis etwas nachzuschlagen, läßt mich ein auf den Boden gefallenes Buch aufheben (ein Fallen, das neulich geschah: neben mir links steht ein kleines Klapptreppchen mit drei Stufen, auf das ich Bücher staple, weil der Schreibtisch schon voll liegt; manchmal liegt dort auch nur aufgeschlagen ein Wörterbuch wegen der bequemen Linksdrehung des Oberkörpers; dennoch stieß ich vorgestern dagegen und das meiste, was drauf lag fiel zu Boden (der Dreyer liegt dort immer noch)). Heute dachte ich, ich würde gern mal wieder O. betrachten. An sie dachte ich, weil ich wußte, sie würde heute bei den Neffen sein, die am 5. Geburtstag hatten. Darum war ich dann nämlich nicht eingeladen. Schon merkwürdig, zum Tabu zu werden. L’innominabile (ich glaube, es war um die Zeit, als ich mit ihr auf Elba war und ich noch in Berlin wohnte, als ich Manzoni auf italienisch las, also vor 1985). Dennoch große Zweifel, dem je wieder eine andere Realität entgegenhalten zu können, die mich mit einer anderen sieht. Es stellt sich kein Vertrauen mehr her. Überall lauert das Mißverständnis. Die Virilität weiß nur mit sich von sich. Und das schmunzelt sich nicht ins Bonmot. Das Vertrauen in sich selbst übersetzt sich mit sich selbst und ist tautologisch, aber nie ein anderes in eine Zwiesprache. Zwie… wie auch immer. Und so bleibt immer der Eindruck, Leben sei überhaupt nichts anderes als ein Mißverständnis. Ein Unfall sozusagen, der einem Mißverständnis entsprungen. Soviel zu meiner Paranoia.

Frau Tschissik (ich schreibe den Namen so gerne auf) neigt bei Tisch auch während des Gansbratenessens gern den Kopf, man glaubt unter ihre Augenlider mit dem Blick zu kommen, wenn man zuerst vorsichtig die Wangen entlangschaut und dann sich kleinmachend hineinschlüpft, wobei man die Lider gar nicht erst heben muß, denn sie sind gehoben und lassen eben einen bläulichen Schein durch, der zu dem Versuch verlockt.

Kafka, Tagebücher (wie gern ich die Parenthese las: „ich schreibe den Namen so gerne auf“!)

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