Arbeitsjournal. Sonntag, der 22. März 2009.

7.56 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stille. Der Bub schläft auf seinem Vulkanlager vor meinem Schreibtisch.]
Sitze an den >>>> Miniaturen für die >>>> Hamburger Ostertöne und bin sogar schon geduscht. Wir müssen hier gegen elf Uhr weg für das kleine Kammerkonzert im Schöneberger Rathaus. Ich hust’ mir vielleicht was zurecht, und seit dem >>>> Fahrradunfall tut das immer noch weh. Richtig unangenehm, auch daß die Husterei nicht aufhört. Ich muß damit aufhören, mit dieser Raucherei, dringend, spüre ich.
Habe vorgestern nacht eine tiefe Entscheidung getroffen; aber darüber spreche ich noch nicht, aus Zeitgründen und weil ich sie erst noch mit den anderen Freunden bereden will. Und mit meinem Jungen, den das vor allem betrifft.
Gestern nacht kam noch der Taxifahrer vorbei, um die Rechnung für das wiederhergestellte Fahrrad zu bezahlen. Er wartete unten vor dem Haus im Wagen. Es ging ihm g a r nicht gut. „Das Geschäft läuft auch so schlecht, dann noch d a s. Es macht keine Freude mehr“, sagte er. Wir gaben uns die Hand, ich nur den Mantel übergeworfen, mit hochgeschlagenem Kragen, das hatte was von einem Krimi. Ich sah ihm noch nach, wie er wegfuhr. Müde, ganz müde, hatte er die zweihundert Euro rübergereicht: wie wenn er sie gerade erst eingefahren hätte.

8.17 Uhr:
So, er ist aufgewacht. Kakao und Tschakowski b-moll. Und liest >>>> Gregs drittes Tagebuch. Wenn wir hier um elf aufbrechen, reicht das. Ich will mich vorher aber noch etwas einspielen. Sind ja nur drei Stücke.

16.29 Uhr:

[Tschaikowski, >>>> Violinkonzert D-Dur.]
Zurück vom Konzert und von der letzten >>>> Reparatur des von unseren Jungens demolierten Fahrrads.


vorher———nachher

Nun kann sich das kleine Mädchen freuen; ich denke, wir haben ihr den Schmerz gänzlich entgolten, wenn das Rad morgen früh um acht Uhr übergeben werden wird. Bittre Pille für meinen Buben, daß er heute kein Taschengeld kriegt. Aber er nimmt es mit Haltung, spielt gerade draußen im Hof Basketball. Um etwas Mathe wird er aber auch nicht herumkommen, und etwas ans Cello müssen wir. Er bleibt heute nacht noch einmal bei mir. Bis ich die Spaghetti koche, arbeite ich nun noch etwas an den >>>> „Miniaturen“.

(Hab bei ein paar Russen auf dem Flohmarkt vorm Schöneberger Rathaus eine neue alte Lederjacke für 16 Euro erstanden; festes Leder, Rindsleder sehr wahrscheinlich. Meine geliebte alte alte Lederjacke hat völlig zerrissene Innentaschen, zerrissenes Futter, und der Reißverschluß ist defekt. Völlig absurd das Ganze: es ist sehr viel billiger, sich solch eine neue alte zu besorgen, als die alte alte wieder herrichten zu lassen… – Nur was tut man jetzt mit ihr? Es widerstrebt mir irrsinnig, sie wegzuwerfen. Das gehorcht alles selbst bei Flohmärkten der kapitalistischen Logik.)
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3 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonntag, der 22. März 2009.

  1. Tschaikowsky Oh … das Klavierkonzert. Welche Aufnahme denn? Ein wunderbares Stück. Wenn es mir schlecht geht, dann allerdings gibt es, seit ich 14 oder 15 war immer nur ein Musikstück, welches mir WIRKLICH hilft: Das Violinenkonzert in d-Dur von Tschaikowsky und nur eine Aufnahme: David Oistrach dem sowjetischen Staatsorchester, eine Aufnahme von 1961. Ich habe das auch von “der Mutter”, aber da ist weder die Wehmut Oistrach zu hören, noch seine aggressiven Grundtöne und es löst sich nicht in eine Art von tiefem Frieden auf.

    1. @Sukov. Sviatoslav Richter, Wiener Symphoniker, Karajan. 1962. Man wird von bestimmten Aufnahmen geprägt, ein für allemal: das ist wahr. Das Stück hat in dieser Aufnahme meine Sucht nach dieser Art Musik begründet; da bin ich zwölf oder dreizehn gewesen. Ich habe sogar noch die alte Vinylplatte aus dem Musikschrank meiner Großeltern. Unfaßbar, in welcher Qualität damals gepreßt worden ist. Deutsche Grammophon.
      “Ihr” Violinkonzert hab ich übrigens soeben mal aufgelegt; es ist das Lieblingskonzert meines Vaters gewesen. Das erfuhr ich aber erst Jahre später.

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