Die Menschen lügen mit der Sprache. 0.3. 07. 2007. Paul Reichenbachs “Kreta”.

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“Ihr Mann ist Tod und lässt Sie grüßen.”

“Es besteht kein Zweifel, dass Wörter, mit denen viel gelogen worden ist, selbst verlogen werden. Man versuche nur, solche Wörter wie „Weltanschauung”, „Lebensraum”, ,,Endlösung” in den Mund zu nehmen: die Zunge selber sträubt sich und spuckt sie aus. Wer sie dennoch gebraucht, ist ein Lügner oder Opfer einer Lüge. Lügen verderben mehr als den Stil, sie verderben die Sprache. Und es gibt keine Therapie für die verdorbenen Wörter; man muss sie aus der Sprache ausstoßen. Je schneller und vollständiger das geschieht, um so besser für unsere Sprache. Aber wie ist es eigentlich möglich, dass Wörter lügen können? Lügen auch die Wörter „Tisch”, „Feuer” und „Stein”? Es ist doch gewiss, dass die Tyrannen, die uns Jahr um Jahr belogen haben, auch diese Wörter in den Mund genommen haben. Es geht wohl auch bei dieser Frage nicht ohne eine verlässliche Semantik1. Nicht jedes Wort kann nämlich lügen. Und es ist auch nicht so, wie eine oberflächliche Betrachtung suggeriert, dass etwa die abstrakten Wörter lügen könnten, die konkreten nicht. Die semantische Grenze zwischen Wörtern, die lügen können, und solchen, die es nicht können, verläuft woanders.”… Aus: Harald Weinrich, “Linguistik der Lüge”

Morgen kommt Besuch ins Haus und bleibt bis Sonntag, ergo räume ich etwas auf und finde, neben >>>>Harald Weinrichs „Lügenlinguistik“, der Text war die juryeinhellig beste Antwort auf die Preisfrage der Darmstädter Akademie von 1964 „Kann die Sprache Gedanken verbergen?“, >>>>Augusto Monterroso, Kurzprosa im Reclamformat (1 DDR –Mark hat das Bändchen 1977 gekostet), die ich nur empfehlen kann. Denn kürzer wie im folgenden Text geht es, glaube ich, nimmer.

Der Traum des Käfers
Es war einmal ein Käfer namens Gregor Samsa, der träumte, er sei ein Käfer namens Franz Kafka, der träumte, er sei ein Schriftsteller, der über einen Angestellten namens Gregor Samsa schriebe, der träumte, er sein Käfer.

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