langes gespräch mit meiner schwester…

…. gestern abend am telefon. sie weinte sehr, ist einfach fertig im moment. sie hängt im augenblick im wahrsten sinne des wortes zwischen allen stühlen. ist mitten in der prüfung, ihr kolloqium wird im herbst folgen. sie hat inzwischen den personalrat angerufen, weil man ihr die rückkehr in die alte kita nur dann ermöglichen will, wenn sie auf ihren unbefristeten vertrag verzichtet, womit sie nicht einverstanden ist. ein freund ist richter am arbeitsgericht, dieser schüttelte energisch den kopf: “ist nicht, wegen ist nicht.” einen unbefristeten vertrag bei der stadt zu haben, ist wie ein sechser im lotto, seit jahren schon gibt es immer wieder nur maximal für ein jahr befristete verträge, und… diese können so oft verlängert und neu befristet werden, wie man will. die stadt besetzt auch einfach um, ob die mitarbeiter wollen, oder nicht, so was heißt dann kettenvertrag. es kann eine mitarbeiterin seit jahren schon in einer völlig anderen kita arbeiten, aber trotzdem noch das recht auf ihren arbeitsplatz in der kita haben, in der sie vor 10 jahren anfing… das ganze system versteh ich nicht. notfalls geht sie vor gericht…. sie kämpft immer um alles das, worauf sie ein recht hat. als ihre tochter damals auf das verbundgymnasium für hochbegabte gehen sollte, der direktor des normalen gymnasiums, auf dem sie seit der vierten klasse war, sie aber nicht gehen lassen wollte, ging sie bis zum regierungspräsidenten, setzte das durch. auch für ihren sohn kämpfte sie viel, er sollte trotz sehr guter noten auf eine sonderschule… weil er ausdiagnostizierter adhs’ler ist. er blieb auf dem gym, machte sein abi mit bestnote. es war sehr schwer die ganzen jahre, aber er hatte dann eine klassenlehrerin, die ihn so nahm, wie er sich gab, die auf seine besonderheiten in seinem verhalten völlig einging. in englisch und französisch war er jahrgangsbester mehrere jahre… alles in allem für meine schwester ein sehr mühsamer weg, heute kommt er als erwachsener mensch sehr gut mit sich selbst zurecht, macht seine ausbildung, ist auf seinem weg, kann heute wesentlich besser filtern, ritalin bekam er nur zwei jahre, dann fand meine schwester eine homöopathin, diese behandelte ihn mehrere jahre begleitend. heute tauchen die symptome nur noch dann auf, wenn er sich völlig überfordert fühlt, dann nimmt er eine substanz… es beruhigt sich wieder. er will jetzt ausziehen, was meiner schwester auch zu schaffen macht. sie freut sich sehr darüber, ist andererseits aber auch sehr traurig. sie wird umziehen müssen, die neue wohnung wird kein kinderzimmer mehr haben. “eine wohnung ohne kinderzimmer… für mich noch unvorstellbar.”
dann passierte ihr in der nacht, als sie sehr spät von ihrer tochter zurückkam, es ist jetzt einige wochen her, etwas für sie sehr dummes, so ihre aussage, sie fuhr über eine rote ampel im zustand von unterzuckerung…. nu muß sie ihren führerschein für vier wochen abgeben. “die welt ist ungerecht, da fahren besoffene nachts quer durch die stadt immer über rote ampeln, und mich blitzen sie. nach 27 jahren mein erster punkt.” “du machst was ganz einfaches, das geht auch ohne anwalt…. du gehst zu deinem arzt, läßt dir aufgrund deiner krankheitsgeschichte bescheinigen, daß dein körper nicht dazu in der lage ist, längere strecken auf dem rad zu fahren. du bist die ganzen jahre vorbildlich gefahren, beides müssen sie berücksichtigen. erklär dich dazu bereit, ein höheres bußgeld zu zahlen. dann erklärst du, daß du das auto brauchst, um mit deinem sohn im falle eines anfalles sofort in die klinik fahren zu können, die müssen nicht wissen, daß er demnächst ausziehen wird. und, ruf da nicht an, schreib auch nicht, fahr mit deinen ganzen unterlagen dahin.” ein anwalt würde erst einmal darauf plädieren, daß das messgerät ungenau arbeitete, dann wird er von den 1,1 sekunden 0,1 abziehen wollen, wenn das alles nichts bringen sollte, wird er vorschlagen, daß du ein höheres bußgeld zahlst… und, er kostet geld, welches du im moment auch nicht übrig hast.” “ich könnte ja auch erklären, daß mir das im zustand von unterzuckerung passierte.” “nee… das laß bloß bleiben, wenn du das erklärst, haben sie dich richtig am wickel, weil du nämlich im zustand von unterzuckerung garnicht erst hättest fahren dürfen.” “oh… danke.” “heul dich aus, und dann sortier, aber du mußt handeln, möglichst schnell.” “meinst du, daß das was bringen würde?” “versuch macht klug.” “weißt du, ich glaub ich mach was falsch… weil ich immer alles richtig machen will. die dummen kommen viel leichter durchs leben, denen passiert so was nicht, die müssen auch nicht so um alles kämpfen. ich seh das in der kita, in einer gruppe arbeiten zwei pädagogische fachkräfte, die eine hat eine ausbildung zur kinderpflegerin, die andere ist fachwirtin für kindertageseinrichtungen. beide werden pädagogische fachkräfte genannt, verdienen das gleiche geld, auf die kinderpflegerin wird immer viel mehr rücksicht genommen, als auf die andere kollegin. bei der kinderpflegerin wird immer gleich ja gesagt, die andere muß um das, was sie durchsetzen will, grundsätzlich kämpfen. in deutschland wird immer noch auf die schwachen gebaut, und woran liegt das?… weil wir immer noch die ganze nazikacke am hals haben. du darfst einfach nicht sagen, daß du gut bist, tust du das, wird von allen seiten geschossen. ich hab die schnauze im augenblick gestrichen voll.” “ich las gestern eine stellenanzeige, es wurden zwei pädagogische fachkräfte für die betreuung und begleitung von kleinkindern gesucht, ganz unten stand…. ausbildung nicht zwingend erforderlich.” “ja, und diese leute verdienen dann genauso viel wie ich, bekommen den gleichen titel. jeder, der nichts wird, wird wirt, oder pädagogische fachkraft. der eine behandelt die wunden der gesellschaft, der andere die wunden der kinder… tolle wurst.”