Arbeitsjournal. Dienstag, der 7. Juli 2009.

8.38 Uhr:
[Arbeitswohnung. Saarijaho, Io für Kammerorchester, Tonband und Live-Elektronik.)
Stimme mich auf die Finnen ein, hab schon Briefe geschrieben, bin um Viertel vor sechs aufgestanden, um 24 Uhr lag ich im Bett, >>>> Leander Sukovs Erzählung gelesen, die einen guten Drive hat in ihrer Knappheit über vier Städte hinweg, aber hier und da ein Lektorat hätte gebrauchen können – Kleinigkeiten nur, manchmal Sprachmacken in der Wortstellung, die unnötig sind; ohne sie wäre der Text präziser; so ist es manchmal, als drängte sich der Autor zwischen die Zeilen, der in sie nicht hineingehört, gerade nicht in einer… ja: Novelle, die zdem introspektiv gebaut ist…. dann den zweiten Faulkner-Band der Snopes-Trilogie begonnen: sofort wieder fesselnd, besonders durch den Perspektivwechsel zum ersten Band; ich kam aber nicht sehr weit, dreißig Seiten waren es noch, dann sagte der Rotwein, ich solle schlafen gehen – den ich überdies nicht vertrug oder nur schlecht vertrug, ich vertrage „einfach“ Rotwein nicht oder nur schlecht. Also war das Aufstehen nicht leicht. Immerhin ist heute Sportpause, der Körper durfte ruhen und ungestört abbauen, was ihn nervt.
Den Jungen für die Schule fertiggemacht; wir lasen, während er seine Zimtos aß („mit warmer Milch, Papa?“), im Kapitän Grant weiter. Dann Wohnungs- und Küchenordnung herstellen, Schmutzwäsche zusammenstellen, schließlich noch einen Schnack mit Αναδυομένη, die kurz hereinschaute, jetzt Schreibtisch: ich muß auch ihn schnell ordnen, dann an weitere Briefe, etwas an den Faulkner, etwas ans Cello.
Ich fühle mich wohl heute. Abermals. Ah ja, >>>> Prunier ziehe ich eben noch vor. Ich brächte das gesamte New-York-Projekt nun gerne zum Abschluß.

10.19 Uhr:
[Saariaho, Jardin secret II für Cembalo und Tonband.]
Pruniers heutige Tranche >>>> steht drinnen. Nun geht auch d a s Projekt deutlich seinem Ende zu. Nunmehr Überlegungen, meine Bücher als ebooks zugänglich zu machen, wobei ich – gerade auch nach den Gesprächen von gestern und vorgestern abend – eher denke, daß Hörbuch-Versionen sinnfälliger wären. Vieles in den Texten erschließt sich vielen offenbar erst über den Klang; was mich an sich nicht wundert; seit nun schon zwei Jahrzehnten begleitete mich immer wieder, nach Lesungen, die Bitte, machen Sie Ihre Texte doch bitte als Hörbuch zugänglich. Hätt ich auch gern getan, allein, die (Hörbuch-)Verlage wollten nicht. Nun gäbe es allerdings die Möglichkeit, es im Netz zu tun. Aber daran verdiente ich dann wieder nichts. Nichts gegen wenigen Verdienst, aber ein bißchen was brauch ich halt, schon so als Vater. Hm. „Hm“ schrieb ich vorhin auch schon dreimal an >>>> Abendschein. – Ei! D a s ist aber eine tolle Cellomusik!!:

[Saarijaho, Petals.]

20.53 Uhr:
[Liszt, L’années de pelerinage.]
Freitag um elf Gespräch mit der finnischen Pianistin >>>> Terhi Jääskeläinen im Finnland-Institut; mal sehn, ob das wirklich ein Interview wird; vielleicht etwas anderes, aus dem sich eine Erzählung über Musik machen läßt; ich muß auch vorher noch mit der Sonntagszeitung telefonieren. Dann wurden die Seminartermine fürs WS 2009/10 in Heidelberg festgeklopft; im übrigen las ich und saß am Instrument, erst allein, dann mit meinem Jungen. Wir probieren fünf kleine Duos für die Feierstunde am kommenden Montag abend für seine Lehrerin, der er einiges zu verdanken hat und die sich von jenen fünf der achtundzwanzig Kinder verabschieden muß, die nunmehr aufs Gymnasium wechseln (andere werden später, berlingemäß zur siebten Klasse, folgen).
Faulkner. Und wieder kurz Ärger, gemischt mit Verachtung und Aufwallungen von Komik, über den Rummel um Michael Jackson; >>>> Pina Bausch indessen geht quasi unter, untergegangen; sie hat zu wenig Geld „eingespielt“, um dem Markt interessant genug zu sein. Man kann mir sagen, was man will, es geht letztlich d o c h um Eliten, die wissen, der Rest wird für die Kapitalmaschine verfüttert und stürzt sich mit großer Freude ravend in die Kapitalmaschine hinein, weil sie ja nicht Fleisch, sondern bloß die Seelen frißt. „Betrüge mich!“ rufen sie, „Aber mach mir gute Gefühle dabei!“ Und sind letztlich ganz froh, ihre Seele losgeworden zu sein. >>>> Der da kommt, ist Replikant, was man gut auch als Adjektiv schreiben kann: „Ich bin replikant“ – und wichst noch drauf. Aber was schert es mich? Nichts.

Jetzt wieder Faulkner. Αναδυομένη bestand darauf, mir neue Laufschuhe zu schenken; ich sollte mit; ging mit, nach etwas Widerstreben. Aber prinzipiell hat sie recht: in meinen Asics laufe ich seit sage und schreibe zwei- oder dreindzwanzig Jahren; ich hab sie, seit ich zu joggen überhaupt begann. Nun wurden es wiederum Asics; morgen früh um Viertel nach fünf werden sie eingeweiht werden. Eine schöne Variation auf Juvenal, übrigens, dieses Akrostichon: Anima sana in corpore sano, von „Laßt uns hoffen, daß in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist sei.“ Meine Gegner werden sicher gleich kommentieren, das sei bei mir nun sicher n i c h t der Fall. Ich laß ihnen den Glauben. Überhaupt steht jetzt auf meinem Schreibtisch aus der Süddeutschen die beeindruckende Abbildung von >>>> de Moras Virgin of Sorrows manchmal hat es etwas für sich, daß die auch seriöse Zeitungswelt auf Farbabbildungen umgeschwenkt ist. Jetzt wieder Faulkner.

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Dienstag, der 7. Juli 2009.

  1. das ist aber ein tolles brückenbild auf seite eins!

    vielleicht könnte es um so etwas wie ihre eigene sendestation gehen. etwas, bei dem sie täglich neu bestimmen, was sie machen wollen, vielleicht ist der weg ins offene ein weg den sie gehen sollten, vielleicht ist bei allem das fertige das hindernis? wie ist das mit den sendern im netz, verdienen die?

    1. @diadorim. Ja, ich bin auch sehr froh, daß ich für das Bild nun doch noch einen Platz fand. >>>> Im Romantext selbst fand sich kein sinnvoller Raum dafür.

      wie ist das mit den sendern im netz, verdienen die?Ich fürchte, nein – es sei denn, sie finanzieren sich über Werbung. Die scheue ich wie das heilige Sakrament des Warengesellschaft.

  2. Bei Ihrem eigenen Buch Orgelpfeifen war Werbung für die Bahn auf dem Buchcover. Also tun Sie nicht so kapitalismuskritisch. Werbung, wenn sie Geld bringt und gut gemacht ist (wie im Fall der Orgelpfeifen) – warum denn nicht, herrgottnochmal.

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