Arbeitsjournal. Mittwoch, der 26. August 2009.

7.17 Uhr:
[Arbeitswohnung. Nicolas Lenz, Flammen-Requiem.]
Aufgestanden kurz nach sechs. Bin ungerichtet in der Arbeit, die Ideen sind ja da, aber der Impuls fehlt, sie wirklich umzusetzen, bzw. hat er noch nicht eine Kraft, die über „ich sollte mal wieder arbeiten“ hinausgeht. Daß die wiederkommt, darauf warte ich. Immerhin. Cello. Das ging dann schon wieder ganz gut für meine, sicher aber nicht für andere Ohren. Die Kindergarten-Eingewöhnungsbegleitung meiner Zwillingskindlein, die über die ganze Woche geht, tut ein übriges, nötige Konzentration nicht aufkommen zu lassen. Komme ich danach an den Schreibtisch, bin ich fahrig usw. Dazu ist dann mit meinem Buben für die Schule zu lernen, das haut auch in meine konzentrierten Abläufe rein. Und müde bin ich abends. Dazu außerdem immer noch mein Zweifel, wie ich es denn nun mit weiteren Veröffentlichungen halten will… – ja: will. Ein „vernünftiger“ Verlag ist nicht in Aussicht, von Kleinverlagen läßt sich kein Geld erwarten, die knappsen ja selbst furchtbar, und >>>> Dielmann ist in restlosem Schweigen versunken. Sicher, meine Überlegungen zur Distribution, die ich immer wieder in Zusammenhang mit entweder einem eigenen Verlag (nur für eigene Texte) oder mit einer Kombination verschiedener Publikationscharactere (online, E-book, Hörbuch als mp3, bod) anstelle, haben die Richtung ja vorgegeben, aber ich bin derzeit zu matt, um das Ganze auch anzugehen, mit dem nötigen „unternehmerischen Feuer“. Das hat s c h o n was von unterliegender Frustration; ich kann mit ihr schlecht umgehen, weil sie meinem vitalistischen Temperament nicht entspricht, deshalb drück ich sie weg – was sie aber nicht aufhebt, logisch. Also äußert sie sich in Form einer seltsamen Kraftlosigkeit, die ich an sich gar nicht schlimm fände, weil ja wirklich viele viele Bücher und Hörspiele entstanden sind, ich kann ja ganz nett zurücksehen; schlimm ist sie aber, wenn ich an die unbezahlten Rechnungen usw. denke, an die Kinder, die voranzubringen sind, an die kleinen existentiellen Bedrohungen usw. – das mürbt obendrauf oder, „besser“, untendrunter und drückt sich dann als eine Art von Unlust an der Fiktion aus. Zu >>>> Der Engel Ordnungen gab es, etwa, nicht eine einzige Rezension, zu >>>> Aeolia auch nicht (d a aber logischer- und vorhersehbarerweise, da nie Rezensionsexemplare verschickt wurden und auch nicht verschickt werden k o n n t e n, bei einer Auflage von 333); man kann sich gegen Kritik wehren, kann argumentieren usw., gegens Verschwiegenwerden hingegen gibt es kein Mittel, das nicht den Selbststolz verletzte auf die eine und/oder andere Weise. (Dieses Verschwiegenwerden schlägt derzeit ulkige Blüten aus: etwa zu einem Großprojekt von einem Herausgeber eingeladen, von dem finanzierenden Verleger aber indirekt wieder ausgeladen zu werden usw. usw.; es ist mir zu lästig, all die kleinen Begebnisse hier aufzulisten, zumal ich auch den Freunden, die mir die Hintergründe zutrugen, nicht schaden will.)
Andererseits. Mir ist klar, welch eine Rolle die permanente Geldknappheit für mein Grundgefühl spielt; könnte ich es mir leisten, mich einfach mal zurückzulehnen, ich sähe aufs Geschaffte und ginge die neuen Dinge mit einer Lockerheit an, die dann höchstwahrscheinlich vieles sehr viel einfacher machte oder überhaupt erst ermöglichte.

Mußwill gleich los zu Barenboims Kindergarten; heute morgen radle ich getrennt hin, fahr nicht mit der quasi-Familie, weil ich danach paar Sachen erledigen muß, die mit dem Fahrrad lockerer von der Hand gehen. Um 15 Uhr Gespräch mit >>>> Katia Saariaho. Aber auch da wieder: Ich hab nicht die ungebundene Freiheit, sie in ihrem Marryott-Hotel auf einen Kaffee einzuladen, weil’s da gleich wieder so teuer ist; andererseits werd ich es dennoch tun. Aber daß man immer über sowas nachdenken muß! Mir entspricht diese Enge einfach nicht, ich möchte so gern großzügig sein können. Doch doch, die ständige Finanzenge macht mir sehr viel mehr aus, als ich zugeben will.

16.43 Uhr:
Kurzes, aber sehr schönes Gespräch mit Kaija Saariaho, deren „Laterna magica“ am Freitag unter Simon Rattle in der Philharmonie uraufgeführt werden wird; ich überlege, ob ich noch versuche, eine Karte zu bekommen; dann wären aber Donnerstag, Freitag und auch der Sonnabend mit Konzerten voll; eigentlich wird mir das zuviel (Donnerstag: Eröffnungskonzert des Konzerthauses; Sonnabend Eröffnung der neuen Staatsopern-Saison unter Barenboim mit Tristan & Isolde).
Die Kürze des Saariaho-Gespräches lag an mir; imgrunde hatte ich ziemlich schnell diejenigen Informationen, die mir in meinem inneren Finnland-Musik-Puzzle noch fehlten; ich wollte ja nicht direkt, bzw. nur über Saariahos Musik sprechen, das tun so viele andere unterdessen. Mit dem Rad durch die Sonne heim. Jetzt geh ich gleich ans Cello.

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