A.D. VI Non. Oct. Anno 2762 a.u.c.

Sechster Tag vor den Nonen. Dies fastus.
Wieder so ein willkommen ‚Schaudern’ schreiben lassender Supermarktkassenparameter: 13,13. Wo nur ein kurzes Stutzen gewesen (alles was ich gestern nach Mitternach noch schrieb: „verstehen heißt stutzen“ (so kann ich jetzt nämlich das entsprechende Blatt und das nicht übernommene „eigentlich“ zerreißen und entsorgen)). Gestern die Cousine aus dem einst mit 13 numerierten Haus im Dorf. Im Zug auf der Hinfahrt nach Rom schauderte mir auch. Die Klimaanlage so eingestellt, daß jegliches Fleisch dort frisch geblieben wäre. Komisch kam ich mir schon vor, als ich da wartend vorm Kino an der Piazza Barberini stand. Es war ja eher eine Verabredung mit der Prähistorie, auf die ich mich da eingelassen hatte. Aber dann gleich die Physiognomien der beiden sofort als durchaus bekannt erkannt. Spaziergang Richtung Bocca della Verità nach einem nur sehr ungefähren Plan. Waren sie noch nicht gewesen. Wollte sie in die Kirche S. Ignazio mit der optischen Täuschung der Kuppel führen, fand aber merkwürdigerweise nicht die richtige Querstraße auf dem Corso. Na gut, weiter. Il Gesù. „Laß uns mal ein wenig im Barock schwelgen.“ In der Illusion der Dreidimensionalität im Übergang zum Zweidimensionalen. Eine Frau kam auf uns zu. In einer Viertelstunde würde das Bild dort – sie zeigte mit dem Kopf – heruntergelassen, und dahinter erscheine dann die Statue des Ignatius von Loyola. Himmlische Musik hatte tatsächlich schon eingesetzt. Eine Stimme („Ein Sprecher von Radio Vatikan“, betonte die Frau) muß wohl Passagen aus den Exerzitien gelesen haben. Wir saßen schon und warteten gegenüber dem Grab des Ignatius („vier große Säulen aus Lapislazuli“). Da senkte sich das Gemälde herab, und im Halbschatten noch stand die mit Gold verbrämte Silberstatue („Kopie nach dem Original, das Pius VI. für Reparationszahlungen an Napoleon I. verwenden mußte.“ – Reclam) nun nicht mehr dahinter, die im Halbdunkel aber so viel Gelb noch reflektierte, daß sie ganz aus Gold zu sein – schien. Und mählich dann das Ausleuchten des gesamten Kirchenraums. Propaganda fide. Mund der Wahrheit? Leider schon geschlossen die Vorhalle von S. Maria in Cosmedin. So blieb nur noch das weite Feld, nämlich der Circus Maximus (sic!), die U-Bahn zu erreichen und irgendwo einen Happen zu essen, bevor der Zug zurück zu erreichen war. Das Erzählen der jeweiligen Biographien tat sein Übriges. Und füllte die Zeit gut aus, denn fünfundzwanzig Jahre geben doch genug Stoff zum Reden für Leute, die sich nicht wirklich kennen. Der Klebstoff der Kindheit, die man zusammen hatte. Heute konzentriert gearbeitet. Außer dem Testament aus dem Böhmischen (geographisch verstanden) noch eine Bilanz von 1943. Wichtigster Posten: Wehrmacht. Ein Ausländerlager war ausgewiesen, ein „Maidenlager“, ein nicht näher bezeichnetes Lager mit entsprechender Erwähnung von Baracken, alles mit einem Bilanzwert von RM -,- mit Ausnahme der Barackeneinrichtungen. RdF bedeutet Reichsminister der Finanzen. G.L., mit Handkes „Die Abwesenheit“ in der Hand und auf sich zeigend: „Der Name ist der Gast der Wirklichkeit.“ Auch der Soratte ist heute wieder mehr Name als Berg. Aber die Umrisse lassen sich dennoch in einem Fast wahrnehmen, das der davor im Vordergrund vorüberhuschende Vogelschwarm als ein Zeitliches verdeutlicht. Die in den Kirchen ewig in der gleichen Pose in den Himmel Fahrenden.

Gerade gelesen:
Die Regierungsmehrheit will die Pressefreiheit formell nicht nur de facto, sondern über einen Gesetzentwurf einschränken, der Art. 21 der Verfassung abändert. […] Der Gesetzentwurf wurde am 9. September von Senator Andrea Pastore (PDL – Popolo delle Libertà [Berlusconi-Partei]), Präsident der Zweikammerkommission zur Vereinfachung der Gesetzgebung, vorgelegt und abermals am 30. mit Unterschriften von weiteren 30 Senatoren […]. Falls der Gesetzentwurf bewilligt wird, würde Art. 21 dahingehend abgeändert, daß der letzte Absatz (“Verboten snd Veröffentlichungen in der Presse, bei Aufführungen oder anderen Veranstaltungen, die gegen die guten Sitten verstoßen”) wie folgt ergänzt wird: „oder die der Würde der Person oder dem Recht auf Vertraulichkeit [oder auch: Geheimhaltung und Diskretion] schaden“. – Quelle: >>> La Repubblica.
Daß es am 30. September wieder vorgelegt wurde, kann nur geschehen sein, weil endlich auch im Fernsehen, wie ich lese, B.Lusconi auf den Zahn gefühlt wurde, was in den Monaten zuvor, wie ich lese, nicht vorgekommen ist. Nicht aber deshalb, weil eine B.Lusconi-Zeitung andere Leute bis zum Abdanken diffamiert hat. Diskretion: ideologische Verbrämung des Herrn B.Lusconi. Was über seine Fernsehsender auf die Bildschirme kommt (solange ich es selber gesehen habe), hat mit Diskretion und Vertraulichkeit nichts zu tun. Also wieder einmal ein Gesetzentwurf ad personam, damit niemand über B.Lusconis Privatleben berichten kann, das kein Privatleben ist. – Morgen in Rom die Demonstration für Pressefreiheit. Hinfahren? Ich hasse das eigentlich. Es wäre das zweite Mal, daß ich das tue in den 24 Jahren hier, und auch das erste Mal war’s gegen B.Lusconi.

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