Montag, 26. Oktober 2009

Zehn Runden um die Bahn. Ein Satz krallte sich in meine Gedanken, wie meine Nägel in das Fleisch des Mannes, der mich auf der Rasthoftoilette nahm, weil wir es nicht mehr bis nach Hause schafften. „Was passiert mit mir“? Perversitäten brechen sich Bahn, Erinnerungen kommen hoch, die so grausam und schön sind, dass ich nicht von ihnen lassen kann. Die Ricke, die mein Vater und Großvater von der Jagd heimbrachten, da war ich vier. Ihre noch rosa glänzende Zunge auf den unteren Schneidezähnen, das Auge ganz klar und der Dampf, der aufstieg, als sie ihre Bauchdecke teilten, das Blau der Därme, ihr Glänzen, niemals sah ich etwas Schöneres. Pervers, sagt mein Ich. Kindheitserinnerung, sage ich, kämpfe gegen irgend etwas an, das mir verbieten will zu denken, was ich gerade denke. Aber ich will das jetzt denken und ich will das umsetzen. Ich habe eine genaue Vorstellung davon. In ihrer gnadenlosen Naturnähe ließ meine Familie mich das alles sehen, zeigte mir, woher das Fleisch kommt, das ich gerne esse. Aufgewachsen in einem unreligiösen Haushalt, verehrten meine Großeltern klerikale Kunst und schleppten mich in jede Kirche, jeden Dom Österreichs, der sehenswert war, ließen mich die holzgeschnitzten Figuren bewundern. Gedacht habe ich als Kind, ich würde später so etwas fertigen müssen, nie habe ich daran gezweifelt, dazu fähig zu sein. An so vielem habe ich gezweifelt, daran nie. So kam Gott als moralische Instanz in mein Leben, auch ohne religiöse Erziehung. Was tut die Jungfrau Maria, wenn sie nicht zu Jesu Füßen sitzt, sie ihm küsst oder wäscht? Was tut sie mit all ihrer freien Zeit dort oben im Himmel? Wandert sie umher und denkt über ihr Leben nach? Muss sie sich vielleicht auch manchmal ritzen, um den Druck zu lösen? Was tut sie dann, wenn diese Wunden juckend heilen?

Ich betäube mich nicht mehr mit dem schnellen Zucker von Hagen Daz, ich peitsche mich hoch mit geknebelten Frauen, die auf ihre Brüste sabbern, und wenn der Mann im Hintergrund sagt, wie wunderschön sie sei, dann denke ich das auch. Wie sich das Tier zeigt, wenn der Mensch gefesselt ist. Das ist tatsächlich Schönheit.