Arbeitsjournal. Dienstag, der 17. November 2009.

8.19 Uhr:
[Sinopoli, Suite nach seiner Oper „Lou Salomé“-]
Was um Herrgöttins Wille ist denn in diesem Royal White Beast gewesen, den ich gestern nacht >>>> in der Bar trank, daß ich heute morgen derart verschlafen habe??? Es klingelte Sturm in meinen Schlaf, der prallvoll Träume gewesen ist und immer noch war, klingelte und klingelte, ich dachte: Wer klingelt morgens um fünf Uhr Sturm? raste irgendwie an den Summer zur Tür, schwerköpfig, sprach hinein in die Gegensprechanlage, die hektisch rot blinkte. Niemand antwortete. Ich, ein Klingelstreich, sowas. Pinkeln. Pinkelte. Wieder dieses Sturmläuten, während es aus mir heraussprang und -quellsprang, immer noch kapierte ich nicht. Statt zu ziehen, gleich wieder an die Gegensprechanlage, hallo, hallo… „Papa, bringst du mir meine Schultasche runter?“ D a begriff ich. Fliegend. Packte fliegend seine Tasche, was hat er heute für Fächer? der Stundenplan hängt neben der Tür Ich wollte ihm doch die vier übrigegebliebenen Fischstäbchen von gestern mitgeben, das hatte er sich gewünscht, und eine gekochte Kartoffel mit Salz Verpacken, schnell, schnell Ich muß verdammt was anziehen, stand immer noch nackt in der Küche, so kann ich doch nicht runter Wie spät ist es? wo liegt die Uhr?
Ich hab‘s dann noch geschafft, aber die Zeit heute morgen, die kostbare Morgenarbeitszeit ist dahin. Ich kann mir sowas momentan überhaupt nicht leisten Egal, nicht jammern, sondern‘s anpacken. Das tu ich jetzt. Während diese Komposition Giuseppe Sinopolis singt, deutlich an Berg angelehnt, wunderschön, aber hätte das eigene Kraft besessen, fragte ich mich auch noch nebenher. Aber wunderschön. Viel zu früh gestorben, der geniale Bursche, zusammengefallen, hier in Berlin an der Deutschen Oper, bei Verdi, aber war das Aida, war das Il trovatore? keine Ahnung mehr, müßte ich googlen, Herzanfall, glaub ich, für Verdi darf man eh nur beim Otello sterben oder, mit feudalstem Spott, mitten am Falstaffpult –
– immerhin hatte ich gestern nachmittag den Ansatz für meinen >>>> Eigner-Aufsatz; ich fand einen alten Essay von ihm, ach die Erinnerungen, 21 war ich damals in Bremen, Kulturplatz Dammweg, es „muß dies – bei wohlwollender Betrachtung – eine verworrene Sprache sein, die Kunst und Kultur immer wieder in einem Atem nennt“ (Eigner, 1976). Dazu „Wider die Justiziabilität der Gerechtigkeit“: d i e s e Predigt solltest du schreiben. So der Profi, mit dem ich intensiv und lange sprach, der etwas fast Dankbares darüber ausstrahlt, daß mir die Löwin begegnet ist, die dauerkätzisch meine Beine umstreicht, halb drohend, halb lockend und, wenn sie sich zur Menschwerdung aufrichtet, gütig: „Schreib dein Managerkonzept, dann lachst du über die Honorarchen der Uni nur“, weil ich spätnachmittags noch Ärger, mal wieder mit der Auszahlung, hatte, für den meine Ansprechpartnerin wirklich nichts kann; dauernd werden die formalen Modalitäten der Honorierung geändert, „losgelassene Selbstverwaltung, die sich selbst begründen muß“, so der Profi, „es gibt einen Engländer, der hat das treffend benannt, Mensch, wie heißt der noch?“ Wobei man im poetischen Ansatz weiter auseinanderliegen gar nicht kann als >>>> Danz und Eigner, das strudelt durch meinen Kopf auch immer mit, und daß ich heute abend >>>> im Konzert bin, um vielleicht j e t z t endlich mal etwas über „die Finnen“ zu schreiben, all das a u c h noch obendrauf. Latte macchiato. Pfeife. Guten Morgen, Leser. Weder Lust noch Zeit, mein Bett zu machen. Alpaka-Jacke, Kapuze überm Kopf, ich „ziehe mir meinen Hut über die Ohren, da höre ich sie nicht. Ich ziehe mir den Hut über die Augen, da finden sie mich nicht“ (Eigner, Golli, 1978).

13.03 Uhr:
[Hindemith, Sinfonie Die Harmonie der Welt.]
Ich arbeite unerbittlich an dem Eigner-Aufsatz; es sprudelt nur so aus mir heraus. Nebenbei Telefonate, eine Email-Konversation, durch die die Löwin ihre Krallen fahren läßt, ein Email-Hin-und-Her mit der Uni Heidelberg wegen des Honorars, Telefonabsprachen für Termine; dann skypte >>>> Titania, daß sie am Freitag in Berlin sei, ob wir uns sehen könnten? sie wird also am Freitag abend hier sein, es wird viel viel zu sprechen geben; dazu die fernmündliche Frage an Eigner: „Hast du deine Hörspiele da? auf Band?” – die hol ich morgen bei ihm raus; wir werden abendessen und reden; vielleicht hab ich den Aufsatz dann schon einigermaßen im Entwurf stehen; manches wird ihm wahrscheinlich nicht schmecken, andres um so mehr – mal sehn. Zwischendurch schickte شجرة einen Kuß in meine Arbeit; dann Korrespondenz mit der Komischen Oper wegen >>>> einer Kindervorstellung für die Schulklasse meines Jungen, der im übrigen in einer halben Stunde fürs Mittagessen hiersein wird, das ich auch noch vorbereiten will und jetzt vorbereiten werde. „Eben dadurch, daß sie”, die Kunst, „ auf das direkte Begehren des Gemeinwesens keinerlei Rücksicht nimmt, wird sie zur Statthalterin der Menschlichkeit. Dieser Grundgedanke Eigners ist möglicherweise der Grundskandal, für den sein Werk dasteht.”

13.03 Uhr:
[Hindemith, Sinfonie Die Harmonie der Welt.]
Ich arbeite unerbittlich an dem Eigner-Aufsatz; es sprudelt nur so aus mir heraus. Nebenbei Telefonate, eine Email-Konversation, durch die die Löwin ihre Krallen fahren läßt, ein Email-Hin-und-Her mit der Uni Heidelberg wegen des Honorars, Telefonabsprachen für Termine; dann skypte Titania, daß sie am Freitag in Berlin sei, ob wir uns sehen könnten? sie wird also am Freitag abend hier sein, es wird viel viel zu sprechen geben; dazu die Frage an Eigner: „Hast du deine Hörspiele da? auf Band?” – die hol ich morgen bei ihm raus; wir werden abendessen und reden; vielleicht hab ich den Aufsatz dann schon einigermaßen im Entwurf stehen; manches wird ihm wahrscheinlich nicht schmecken, andres um so mehr – mal sehn. Zwischendurch schickte شجرة einen Kuß in meine Arbeit; dann Korrespondenz mit der Komischen Oper wegen >>>> einer Kindervorstellung für die Schulklasse meines Jungen, der im übrigen in einer halben Stunde fürs Mittagessen hiersein wird, das ich auch noch vorbereiten will und jetzt vorbereiten werde. „Eben dadurch, daß sie”, die Kunst, „ auf das direkte Begehren des Gemeinwesens keinerlei Rücksicht nimmt, wird sie zur Statthalterin der Menschlichkeit. Dieser Grundgedanke Eigners ist möglicherweise der Grundskandal, für den sein Werk dasteht.”

Sò, zu Mittag essen.

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