55. Tag des Jahres ZwanzigZehn

Das gestern, das war so eine Art Fingerübung.
Das war einfach nur Sex. Es war gut und überraschend, für ihn mehr als für mich und es war eins ganz sicher nicht, eine Herausforderung. Wer hat da mit wem gespielt dachte ich, als ich die Treppe wieder runter stieg. Heimlich still und leise blieb ich einfach in meinem eigenen Universum und übte ein bisschen das, was ich in Perfektion zu können wünsche.
Wenn Frau noch Mädchen ist, stellt sich ihr an einem Punkt ihres Lebens die Frage was sie sein will. Nonne oder Hure. Ich stand immer auf der Seite der Huren. Huren, nicht Nutten. Es geht nicht ohne Herausforderung, nicht ohne, dass etwas von mir verlangt wird. Ich will genügen, ich will Spaß machen und ich will mich entwickeln und ich will dass diese Entwicklung anerkannt wird. Zwischendurch darf es auch mal einfach nur Sex sein, aber das wird mir schnell langweilig. Jemanden zu finden, der mich da abholt wo ich stehe, der es schafft von der Diskussion mit mir, die immer voraus geht, die zum Spiel gehört, die bestanden werden muss, mich in die Phase zu überführen in der ich keine Worte mehr in den Mund nehme, in der ich still bin und zuhöre und folge, das ist die Kunst.
„Nicht so viel Quatschen, das funktioniert nicht“ ist ein Satz, der das ganze Dilemma anzeigt. Das ich nicht in schallendes Gelächter ausgebrochen bin, ist nur meiner Selbstbeherrschung zu verdanken, dabei hatte ich im Vorfeld so viele nützliche Hinweise darauf gegeben, wie ich ticke, wie man(n) mich kriegt. „Das ist doch aber so einfach bei dir“ sagte Anwar immer und ich zucke mit den Schultern und schmunzele „ja, für Dich“ dachte ich dann,“ weil Du das Eisen mit der Zange aus der Glut zu holen weist.“
Ich halte es für ein hoch intellektuelles Spiel, wenn es gut gemacht ist. Wenn ich nicht merke, wie mir etwas umgedreht wird, eine Abneigung in Lust verwandelt. Ich habe noch nicht herausgefunden, warum bei einigen ein einziger Satz genügt und andere nie erreichen, dass ich mich überwinde und sogar Lust empfinde. Nicht jeder beherrscht die intellektuelle Seite, einige wissen instinktiv wie es geht mir nahe zu sein, mich zu locken und zu fordern. Es ist etwas, dass in ihnen liegt, dass ein solches Versprechen ist, auch wenn es nur meine Imagination und Projektion ist, das ich mich hingebe. Hingegeben habe ich mich gestern auch, aber es war deutlich, dass der Mann keinen Plan mit mir verfolgte, also war es Sex, nichts weiter von Bedeutung.