sie wurde wach….

…..schweißgebadet. zitternd, weil ihr eiskalt war, griff sie zum schalter der kleinen nachttischlampe, machte das licht an, sah auf den wecker. 02:00 uhr. wandte ihren kopf nach links, paul schlief tief und fest, er lag auf dem rücken mit leicht geöffnetem mund. sie setzte sich auf, versuchte dieses gefühl abzuschütteln, blieb eine weile so sitzen, drehte sich dann um, beugte sich zu paul hinüber, berührte ihn sanft an der schulter. “paul….. paul, du mußt aufwachen….” er reagierte nicht. “paul” rüttelte sie ihn, “paul…. wir müssen aufstehen, sofort.” er öffnete schlaftrunken seine augen, hob den kopf: “was ist los, bist du irre?, es ist mitten in der nacht.” “paul, wir müssen aufstehen, sofort. das wasser wird kommen, wir müssen packen, vor allen dingen die lebensmittel. wir müssen die wehre öffnen.” “wie kommst du denn auf die idee… es gibt keine vorhersage, also auch keine sturmflut.” “es wird keine sturmflut kommen, sondern eine wand, eine dunkle, große wand nur aus wasser. ich hab’s gerade gesehen, sie wird kommen die wand, wir müssen aufstehen, wir sind für die wehre verantwortlich.” “du immer mit deiner träumerei, leg dich wieder hin, es wird nichts passieren”, antwortete er, drehte sich um, schlief sofort wieder ein. ohne weitere worte stand sie auf, verließ leise das schlafzimmer, begann mit den vorbereitungen. sie zog sich an, legte für paul die sachen zurecht, packte zwei große wäschekörbe mit lebensmitteln. trockenkaffee, nudeln, mehl, milch, eier, brot, butter, eingemachte suppen, trockenfleisch, hartwurst, haferflocken, gries, kartoffeln. die schleusenhäuschen der oberstadt und unterstadt waren gut eingerichtet, feuer an einer offenen herdstelle konnte man machen, aber die küchen hatten auch noch einen alten, zweiten, aber gut funktionierenden herd. sie packte alles zwei mal zusammen, pauls notwendige dinge schaffte sie in seinen wagen, legte die schlüssel im flur auf das kleine brett an der wand. ihre sachen packte sie in den anderen wagen, gummistiefel, regenjacken, warme pullover. alles, was sie für notwendig befand, teilte sie, überlegte, was paul brauchen würde, reduzierte wieder von ihren benötigten sachen. “ich komm auch ohne die wasserhosen aus”, dachte sie, “wasser ist wasser.”
als es gegen 08:00 uhr hell wurde, griff sie sich ihren mantel, stülpte die mütze über ihren kopf, schloß leise die haustür. paul schlief immer noch. “ich muß es sehen”, sagte sie zu sich selbst. schwang sich auf das rad, radelte nach oben, zum kai. schwer war es, gegen den sturm anzutreten. der himmel dunkelgrau, ein schwefelgelb zerfetzte die wolken. “das ist nicht gut”, dachte sie, “überhaupt nicht gut.” die anhöhe zur kaimauer mußte sie absteigen, sie schaffte es nicht mehr, die kraft des sturms war zu stark. oben angekommen sah sie zuerst nach unten zu den aufgelagerten steinwällen, diese waren schon unter wasser, es schlug bereits ein ganzes stück höher an die kaimauer. der sturm beruhigte sich, sie blieb stehen, hielt sich an dem pfeiler fest, betrachtete ruhig die welle, die kam. “die nächsten welllen werden uns nichts ausmachen, 4 – 5 meter können wir immer verkraften.” das wasser schlug mit aller kraft an land, überschwemmte die kaimauer, der sturm brüllte jetzt. sie hielt sich an dem pfeiler fest, sah weiterhin auf’s meer. wieder diese stille, genau diese stille…. und dann stieg das meer. die ganze horizontlinie entlang wuchs es, sie konnte genau sehen, wie sich der horizont hob, die wand begann, sich aufzubauen. sie überlegte nicht lang, griff sich das rad, der wind trug sie zurück zum haus. paul begegnete ihr, er war bereits angezogen. “wo bist du gewesen?, ich hab dich gesucht.” “das wasser… das wasser…” “es wird nicht kommen, niemand hat etwas vorher gesagt, also beruhig dich, laß uns frühstücken.” “das wasser wird nicht kommen, es ist bereits da.” er sah sie an, registrierte erst jetzt ihre durchnässte kleidung. sie brüllte ihn an: “nimm das auto, es sind alle sachen drin, und schau zuerst, ob das telefon im häuschen funktioniert”, drehte sich um, ging zum anderen wagen, stieg ein, knallte die tür zu, gab vollgas. ihre aufgaben waren im falle einer sturmflut aufgeteilt, paul war für das eine wehr zuständig, sie für das andere. vor fünfzig jahren hatte man an der kaimauer beginnend, quer durch die oberstadt, zwei kanäle gebaut, die unter der unterstadt weiter verliefen, die nach einer strecke von 5 kilometern in riesengroßen natürlichen gesteinsbecken endeten, dessen umgebendes wandgestein wiederum aus porösem buntsandstein bestand. der alte heinz war vor jahren auf diese idee gekommen: “das wasser wird vom sandstein aufgenommen, kann so versickern.” “eine geniale idee”, dachte sie, gab gas, war nach kurzer zeit am wehr. sie ging zum haus, schloß die tür auf, sah zum schlüsselboard, erstarrte…. “der schlüssel, wo ist der schlüssel.” griff zum telefonhörer, wählte die nummer des anderen schleusenhäuschens, paul war bereits da, er nahm den hörer ab. “wo ist der schlüssel, hast du beide schlüssel?… der schlüssel zum wehr ist nicht hier.” “warte ich seh nach”… nach einer kurzen weile: “ja, ich hab beide schlüssel hier.” “wieso hast du beide schlüssel zu hause, die sollen immer an den brettern hängen, an den brettern in beiden schleusenhäuschen.” “wir müssen sowieso auf den befehl warten.” “was für ein befehl…. auf was für ein befehl müssen wir warten”, brüllte sie in den hörer. “wir dürfen die wehre nicht eher öffnen, bis wir den befehl, die erlaubnis dafür haben.” “dann versuch verdammt nochmal den komandanten zu erreichen.” “hab ich gerade versucht. er sitzt im auto…. im hintergrund hörte ich wagner, er will ins konzert, konnte mich kaum verstehen, ich ihn allerdings auch nicht, die verbindung brach ab.” “und was machen wir jetzt?” “wir dürfen die wehre nicht öffnen, nicht ohne befehl.” “weißt du was?, auf den befehl scheiß ich, die menschen in der oberstadt werden dieses wasser ohnehin nicht überleben, aber die menschen in der unterstadt haben die chance, sollen die alle auch absaufen? die kanäle werden die wassermassen nicht aufnehmen können, sie werden über die ufer treten, wir müssen die wehre öffnen, damit das wasser in die becken laufen kann.” “ich sag’s noch mal, wir dürfen nicht, ich muß auf den befehl warten, und außerdem hast du garkeinen schlüssel.” “ich hab aber den vorschlaghammer, ich werde den bolzen einfach abschlagen.” “das darfst du nicht, wenn du das tust, handelst du befehlswidrig, ich muß dich erschießen, wenn du das tust, wir stehen unter kriegsrecht.” “du willst deine eigene frau erschießen, weil sie befehlswidrig handelt, damit aber menschenleben rettet?” “garnichts, garnichts, hörst du?…. wirst du tun, du wirst warten, bis wir den befehl haben.” “und was ist, wenn du den komandanten nicht mehr erreichen kannst?” “dann dürfen wir die wehre nicht öffnen.” “weißt du was?, ich werde jetzt diesen bolzen abschlagen. laß du die menschen in der oberstadt absaufen, ich werde dafür sorgen, daß die menschen in der unterstadt das überleben werden, und dann kannst du kommen und mich erschießen”, antwortete sie ganz ruhig, legte den hörer auf. ging hinunter zum kanal, das wasser hatte die rote markierung schon weit überschritten, lief die treppe wieder hinauf, griff zum hammer, schlug mit aller kraft den bolzen ab, lief wieder hinunter. das wehr öffnete sich nur langsam, der druck der wassermassen riß die sich öffnenden tore aus ihrer verankerung, sie schlugen krachend an die seiten der kanalbegrenzung, tauchten unter, verschwanden mit den wassermassen im becken. ruhig ging sie nach oben. “entweder überlebt er das nicht, oder er erschießt mich”, dachte sie, ging zum herd, machte feuer, setzte einen kessel wasser auf, um kaffee zuzubereiten. “und wenn das jetzt mein letzter kaffee sein wird?”, fragte sie sich, nahm die kanne, den filter, legte den papierfilter ein, zählte drei löffel kaffee ab, goß das sprudelnde wasser darüber, sog den aufsteigenden duft mit ihrer nase ein. “und wenn das jetzt mein letzter ist?”, fragte sie sich wieder. die tür ging auf, paul stand in der tür. sie sah ihn an, dann an ihm herunter, die pistole trug er in der rechten hand. “willst du mich jetzt erschießen?” “ich muß es tun, und wenn du tausend menschenleben gerettet hast.” “läßt du mich erst den kaffee austrinken?”, fragte sie ihn ruhig. er zitterte am ganzen körper, konnte seine hände nicht ruhig halten. “so wie du zitterst, wirst du daneben zielen, beruhig dich erstmal, möchtest du einen tee?” “nein, du mußt jetzt mitkommen”, antwortete ein paul, der nicht ihr paul war. draußen wartete günther, er begleitete sie zum wagen. “knie nieder”, sagte paul zu ihr.
als sie den schuß krachen hörte, die kugel in ihr genick einschlug, wurde sie wach. schweißgebadet. zitternd, weil ihr eiskalt war, griff sie zum schalter der kleinen nachttischlampe, machte das licht an, sah auf den wecker. 02:00 uhr. wandte ihren kopf nach links, paul schlief tief und fest, er lag auf dem rücken mit leicht geöffnetem mund. sie setzte sich auf, versuchte dieses gefühl abzuschütteln, blieb eine weile so sitzen, dreht sich dann um, beugte sich zu paul hinüber, berührte ihn sanft an der schulter. “paul….. paul, du mußt aufwachen….”