75. Tag des Jahres ZwanzigZehn

Das Leben ist eine Baustelle, ist eins meiner Lieblingszitate, man kann es auch Allgemeinplatz nennen, aber worin Wahrheit liegt, das steht und bleibt. Heute in Runde fünf oder sechs, dachte ich dann, das Leben ist ein Puzzle. Wenn man sich nicht alles merkt bekommt man die Einzelteile nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
Ich sei Erde sagte mir S. mein Geburtsdatum analysierend, ich bräuchte Feuer und Metall. Ja, das passt dachte ich mir, mein Bäuchlein sei der Sitz von Hara dem Zentrum, der Mitte und außerordentlich (!!) wichtig. „Du musst mal lernen in den Bauch zu atmen“ hatte mir Z. schon vor Monaten gesagt. „Dein Magen hat zu viel Spannung“ sagt J.
Ich fühle in mich hinein und merke eine Weichheit an dieser Stelle, die ich all zu gerne nicht hätte, aber nun mit ganz andern Augen sehe. Aus dem Bauch heraus Entscheidungen waren immer richtig. Das kann ich auch, auch wenn ich eigentlich immer versuche die Puzzlestücke zusammen zu fügen. Vielleicht ist mir deshalb auch „baucheinziehen“ geradezu unangenehm.
Gestern noch bis spät abends, B. schlief mit dem Kopf auf meinem Bauch ein, „Das Weiße Band“ geschaut. B. hatte diesen Film gar nicht gewollt, ich hatte den Text auf der Hülle wie einen Krimi verstanden, das war es schließlich nicht, aber irgendwie doch auch. Was mich schließlich berührte an dem Film, mich dabei bleiben ließ, war die Eindringlichkeit der Bilder und schließlich die bis ins Mark Erschütterung darüber, wie geprägt ich bin, wie selbstverständlich ich – Reinheit – denke bei Weiß, bei jungen Mädchen, schlanken Händen, weißen Armen. Wie sehr mich der praktizierte christliche Aberglaube abschreckte und die Ablehnung von Körperlichkeit mehr ekelte als die in die Ecke gequetschte Koitusszene. Wie unwichtig noch dialogisch zu erklären was der Dorfarzt tun wird, warum er die Hebamme abstoßend findet. Jeder weiß doch schon seit der Szene mit seiner Tochter, als er sie nach ihrem Alter fragt was kommen wird. Ich hätte mir gewünscht es wäre mehr einfach stehen gelassen worden, weniger erklärt, denn schließlich will der Film am Ende nichts erklären.