Die letzten Tage 63

Am Anfang ist die Tat, die nicht wirklich als Tat erscheint, über der eine Schuld schwebt, man begreift es sehr langsam (… und, willst du mich nicht grüßen?), die zum Grundton wird, ohne wirklich beim Namen genannt werden zu können, weil sie überall ist. Das weiße Band, gestern von Haneke. Die Mutter der Neffen hatte sich mir noch anschließen wollen für den Kinobesuch, winkte dann aber per SMS ab: Müdigkeit. Dennoch füllte es sich einigermaßen, wenn man bei 30-40 Leuten von Fülle reden kann. Gewisse seltene Filme scheinen mich anzuziehen. Im letzten Jahr war’s Antichrist von von Trier. Da erlebte ich einiges wieder aus der Psychologie meiner Beziehung. Auch der von gestern hatte es in sich, was gewisse Mechanismen betrifft, mit denen ich noch heute zu tun habe. Die Frage der nicht benennbaren allgegenwärtigen Schuld, der ich immer etwas Katholisches beizumessen bereit war wegen der einst angeheirateten Familie (Onkel Priester, Schwiegermutter dem Priesterbruder nachgefolgt, das autoritäre Vatermuster), weil O. dieses Wort ja ständig im Munde hatte und immer dazu neigte, nachgebend zu sagen: „Allora è colpa mia.“ Nein, es geht nicht um Deutschland in dem Film. Es geht um Heimatschulden, um die Heimat der Schuld. Wiewohl ich ganz gebannt den Blick aufs Wiedererkennen fokussierte: „das Flachland, die bullige Kirche, die Physiognomien“ (die ganz besonders (so auch ein Bild meiner Großmutter, mit diesen hervortretenden Augen)), „die Kleidung, die ich von alten Fotos kenne von vor dem Krieg, die zum Dutt zusammengesteckten Haare“. Die allgemeine Versöhnung erfolgt praktisch mit dem Attentat von Sarajewo. Das fast schon von Effi Briest überleitende „Fremdgehen“, hier mit dem Sterben, dem Aus-dem-Wege-bringen, denn die Hände sind ja gebunden des Nachts für den Pubertierenden. Des Lehrers Eva 17, wie die Briest. Merkwürdig oft wiederkehrende Zahl. Auch bei mir. Die einst Entjungferte, die die erste gewesen: wir waren uns die Ersten. Charbovari. Konsequent also nun dieses verballhornte Charles Bovary. Fuhr nach Terni heute nachmittag. Kleinbus-Bahnhof wieder mal neben dem Parkplatz: blaugelbe Wappen und UA.

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