Die letzten Tage 66

Wieder ein >>> Triperuno, ein dreieiniges Tagebuch, in dem schreibend sich Ordnung erst noch ergeben muß, während der endlich sich entschließende Daumen die neue Nummernrevue in einem Supermarkt hat antworten lassen. Also zwischen Tagebuch, Essen und „in einer Stunde“. – Samstag: Terni. Wieder wegen neuer Kleidung. Hose und Hemd. Bleumerant. Das Eis hätte ich mir besser in einem Becher geben lassen sollen. Das überhängende Pistazieneis tropfte als erstes. Lecken half nicht mehr viel: Abbeißen! Auf der Straße dann in die verklebten Hände gespuckt und sie mit einem Papiertaschentuch halbwegs von der klebrigen Substanz befreit. Konsum-Tuwas. Abends eine „Party“ irgendwo auf dem Land: „Zwischen Porchiano und Attigliano. Zieh dir was Warmes an, wir sind draußen und machen ein Lagerfeuer.“ MM. Hatte etwas Hippymäßiges, diese dort wohnenden drei Familien mit ihren Kindern. Recht jung, mit Ausnahmen. Der Boden war trocken, man konnte sich ins Gras setzen. Meroslava mit Sohn Sascha, der bald in ihrer Umfängnis fast schon schnarchend schlief. Fragte auch sie noch einmal nach Czernowitz. Ihr habe Czernowitz nicht so gefallen, wo sie die Universität besucht. Sehr viel besser habe ihr Ivano-Frankivsk gefallen. Hügelig das eine, flach das andere. Bis 1962 Stanislaw. Sie hatte eine merkwürdige Meßeinheit, um zu sagen, wie groß ein Ort sei. 1 Amelia, 2 Amelias, 3 Amelias … n Amelias. Nun gut, sagte ich, mein Dorf sei ein zwanzigstel Amelie. „The twentiest part“: weil dies die Vehikelsprache. Sie konnte allerdings – wie zu erwarten – nichts mit den Namen anfangen, die mich an Czernowitz denken lassen. Es wurde geklampft. Seit drei Jahren, seit ich hier bin, liegt der Verschluß für die eine der beiden Hauswandöffnungen des Durchlauferhitzers mit einer grünlichen Patina überzogen auf dem einen der beiden Balkons. Wie lange davor, kann ich nicht wissen. Daher kommt es, daß ich es in dieser Jahreszeit während der Rauchpausen direkt in der Küche zwitschern höre.. Ich, vorgestern. – Gestern die Firmung, die mich vor dem Hinfahren hier nichts zustandebringen ließ (lies schrieb ich zunächst). Mit zwei alten Bekannten vorm Dom (der der Gipfel von Amelia) gestanden, gesessen, ab und zu in den Dom, tatsächlich O. hinten rechts erblickt. Amelia und Umgebung vollzählig (dies wohl nicht, aber approximativ ein repräsentativer Querschnitt) in Sonntagskleidung, chacun im Anzug, chacune stattdessen à son goût. Dann auf dem Lande zuerst Ugo begrüßt, war mir wichtig. Le chien. Mit den zumeist aus Rom Angereisten (vielleicht waren’s dreißig Leut’) im zugigen Vorbau gesessen. Mir wurde irgendwann kalt. O. hingegen die einzige Unvermummte mit nackten Armen. Wunderte mich. Tja, sie lebe halt auf dem Lande. Streifte zweimal den einen nackten Arm an meiner Lederjacke. Wie absichtlich. Irgendwann verließ ich die Gesellschaft, um einen Rundgang zu machen auf dem Grundstück. Was die Bäume machen, ob sie gestutzt worden seien, wie’s dem Stück Garten gehe, dem umgepflanzten alten Olivenbaum usw. Hätte sein können, ist aber nicht geworden. Also keine wirkliche Nostalgie. Mit einer Zäzilie dann zurück nach Amelia zu deren Auto, sie dann aus dem Städtchen Richtung Schnellstraße lotsend (mußte zurück nach Grosseto). Das Auseinanderhupen dann an der Stelle, an der ich abbiegen mußte. Heute dizzy spleen.

10 thoughts on “Die letzten Tage 66

  1. Welche Namen sind es, die Sie an Czernowitz denken lassen, lieber Herr Lampe?
    Bestimmte ehemalige Straßennamen? Familiennamen? Dichternamen? Oder ganz anderes? Ohne Ihnen zu “nahe” treten zu wollen, fragt dennoch interessiert Teresa

    1. Für Welt(en)-Träumer Ach soooo…. Ich dachte, es wäre um neue Namen gegangen, lieber Herr Lampe, ich bin zudem mal eben in mein Archiv hinab gestiegen und habe gesucht…. und gesucht….. und gefunden… nachfolgend ein paar “Schmankerl” über das ehemalige “Wien des Ostens”….voilà:
      D-Radio Kultur hatte im Jahr 2008 Czernowitz eine Lange Nacht gewidmet; hier ist der Link (leider nur zum Nachlesen, nicht als podcast verfügbar): http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/langenacht/727956/

      Ein sehr inspirierendes Verzeichnis der Straßennamen über die verschiedenen Epochen hinweg (eh. deutsche, dann Umbenennung in rumänische, dann in russ.-sowj.) finden Sie hier: http://www.czernowitz.de/pdf/Strassenverzeichnis%20von%20Czernowitz.pdf

      Offfzielle Website der Stadt lautet http://chernivtsy.eu/

      Und zuguterletzt: Ein relativ aktueller Fotobericht (vom Winter 2009) vermittelt erste Eindrücke und einige Fotoimpressionen von der ehemaligen Hauptstadt der Bukowina, zu finden unter http://meinkiew.blogspot.com/2009/02/vertraumtes-czernowitz.html

      Vielleicht!? Stoff zum weiterTRÄUMEN…. 😉 Teresa

    2. Ich seh’ grad’, da hat einer nach nackt+arme+beine gesucht. Wohl auch Stoff zum Träumen. Wie auch immer. Also das mit Czernowitz mache ich lieber so, wie mit meiner Mutter: Über Timbuktu schreiben oder über meine Mutter, das sei ein und dasselbe. Hatte, der Gedanke, in den Lüften, als er gefaßt worden, zwar nicht ein Aufsteigendes, aber ein Herabsteigendes in Form einer Sternschnuppe. So daß mir jede Uliza, die sich denken läßt, ein Passepartout, ein Nichtbild im Nachbilden. Ein Jenseits einer Grenze. Jedenfalls nichts für Eckensteher, es sei denn, man wolle einen solchen in das Zentrum einer ständigen Bewegung um diese eine Ecke stellen. Ich glaube, ich habe das Prinzip einer Kamera beschrieben.

    3. Schöööner Vergleich! Einen Stern pflücken. Das wollte ich Ihnen. Zuerst lange Arme gemacht. Vorsichtig vom Sternenhimmel gehoben. Sanft herab balanciert. Auf ausgestreckter Hand. Leicht gewölbt. Damit er nicht heraus fällt. Nicht zerbricht. Vorsichtig abgesetzt. Hierher. Damit er weiter leuchtet. W e i t e r ( e ) fasziniert.

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