Zur Ehre des freien Geistes.

„Sie sind unbeherrscht!”
Welch ein Lob, wenn man den moralisierenden Ausruf gegen den Ausrufer wendet: Nicht beherrscht sein. Von niemandem.

(DXIX).

3 thoughts on “Zur Ehre des freien Geistes.

  1. Wo endet die Dialektik Das ist eine etwas einfache Retourkutsche. Denn gemeint ist ja: “Sie beherrschen sich nicht!” Oder: “Sie haben die Beherrschung über sich verloren!” Und die Selbstbeherrschung (“self-possession”), gelegentlich auch Selbstkontrolle genannt, meint ja, dass wir nur dort frei sind, wo wir die Regentschaft über unsere Affekte behalten, also nicht von unseren Mikrosäften täglich als Verlierer vom Platz geschickt werden. Nirgendwo (eventuell mit Ausnahme von 1 Punkt) ist die bürgerliche Subjektphilosophie dialektischer angelegt als in dieser Vorstellung, dass zur inneren Freiheit die Unterdrückung der Affekte gehört. “Die Haltung bewahren”, Mäßigung, Zähmung (für Goethe gehörte zu einem vorbildlichen Mann die “gezähmte Männlichkeit” dazu), sich eine Wut oder einen Vedruss nicht anmerken lassen – in allen Gesellschaften gibt es unterschiedliche Vorgaben, in welcher Form und welchem Ausmaß die Triebe unter der Kutte zu verstecken sind. Von daher führt in der Regel ein Mangel an Selbstbeherrschung aus der Gesellschaft heraus – “verlassen Sie bitte sofort mein Haus!” Was man nie laut, sondern selbstbeherrscht vortragen sollte, im ruhigen Ton, aber bestimmt. Aber wie auch immer: Es ist mitnichten so, dass derjenige mit der geringsten Selbstundrückung der Selbstfreieste wäre. Wenn man das Ringen zwischen den hochbrodelnden Massen der Begehrenden und der Ich-Regierung einseitig auflöst, kommt man – egal auf welche Seite man sich schlägt – sowohl linksherum als auch rechtsherum in die Unfreiheit. Gefühlskrüppel oder Tourette, auf beiden Seiten lauert eine Form von Wahnsinnigkeit. Diese Dialektik werden Sie als Schriftsteller natürlich kennen. Schriftstellerei ist ja der Sublimationsberuf schlechthin. Die Befreiung liegt wohl darin, sich bewusst zu sein, wie man von Affekten gesteuert und beeinträchtigt wird. Aber irgendeine “Lösung” braucht es immer. Übrigens: Hier rechts auf dem Foto stehen Sie ganz und gar wie ein selbstbeherrschter Mann da. Distanziert. Sie unterdrücken jeden Affekt im Gesicht und die Hände sind weggesperrt. Innerlicher Herrscher über die immer etwas pinliche Situation, dass jemand anders einen von außen beobachtet und ablichtet. Keien Frage: Sie sind sehr behrrscht! ^^

    1. @Fritz Iversen. Selbstbeherrschung. Auch das läßt sich wenden, diesmal w i d e r mich: “Sie sind von Ihrem Selbst beherrscht.” In der Tat ist das, sozial, eines meiner Probleme.

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