Die letzten Tage 87

Sicher, ich hätte bis zur Boje hinausschwimmen können, aber dann sah ich nach unten und entdeckte etwas Schwarzes auf dem Sand unter mir, den die Füße wohl noch leicht erreicht hätten. Da erschrak er einen Moment lang vor seinem eigenen Schatten. Schwamm eilig ein Stück zurück, dies bißchen Panik fast schon mimend. Da das Schwarze immer noch da war, trat ichs mit den Füßen und machte mich mit meinem Oberkörper selbst zur Boje in dem noch seichten Wasser: eccomi qua. Dann auf der Linie, auf der das Meer stillsteht, nein nicht bis zum Horizont, auch nicht zu dritten Ufern, sondern einfach nur gegangen. Dem Menschen im Wasser, der die ganze Strecke meines Fußwegs schwamm, neidete ich das. Aber mir fehlte die Übung und die Ausdauer. Na, wenigstens spüre ich die Oberschenkel und auf den Schultern noch die Sonne, obwohl ich drauf achtete, nicht allzu lange zu bleiben, denn um viertel vor elf brach ich wieder auf. Drei Stunden zuvor war ich von hier losgefahren, halb zehn war ich dort. – So fing’s am Freitag an. Ich weiß jedoch nicht mehr, was mich dann am Abend ablenkte, daß ich nicht weiterschrieb. Danach nur noch die schiere Unmöglichkeit für mich, den eher die Abendstunde dazu verlockt, weiter zu resümieren. Die Nichtantwortende hatte sich nämlich wieder gemeldet. Recht esoterisch. Ich antwortete, mit dem Finger die Oberfläche des ewigen Lebens sich kräuseln lassend. Und fragte dann, ob sie wieder am Trasimeno-See sei, und wenn ja, ob – morgen oder übermorgen – es recht sei, wenn ich vorbeikäme. Am Morgen dann ihr „Ja“. Und rief sie dann am frühen Nachmittag an. Und fuhr dann los, trotz der Erwähnung der Gegenwart von „Freundinnen“. Operation: Bloß keine unnötigen Projektionsflächen. Das Fahren auf der Schnellstraße Richtung Perugia machte merkwürdigerweise Mühe: die nicht leicht einsehbaren Kurven. Nicht weil sie eng gewesen wären, sondern ihre Länge war nicht oft vorauszusehen. S. rief unterwegs vom Bahnhof Termini beim Warten auf den Zug nach Salerno an, sagte zwar mein Ziel, aber nicht den Grund. Da mußte ich mich nun selbst entweder hinein- oder herausreiten. Tatsächlich erwies sich der Ausflug zwar als nette Plauderei, aber nichts, was da gefunkt hätte. (Während des Plauderns abermaliges Bimmeln: MM, wieder zurück von der Kirschenernte im Breisgau, wollte wissen, ob ich zum Fest in der Oberstadt käme. „Später, aber ich komme.“) Aus mehrerlei Gründen, die ich hier nicht aufführe. Das Schwimmen im See kein wirkliches Vergnügen. Die sich zwischen die Zehen schiebende Vegetation beim Waten hin zu etwas tieferen Wassern. Mehr Meer, weniger See! Die Pizza-Gesellschaft dann am Rande eines Campingplatzes, den noch andere Vergnügungsstätten säumten, gipfelte in eine Ken-Follett-Schwärmerei. Um elf dann in der Oberstadt. Was dann bei den Porcelli (oder mittlerweile „bei Walda“) endete: T. (einer der Jazzmusiker, die regelmäßig bei Walda musizieren (ließ mich in eine Mail-Liste eintragen, um wenigstens zu erfahren, wann…)), I. (seine Frau), MM, ein Paar aus Turin auf der Durchreise von Ventotene zurück nach Haus’ (er sei in Münster gewesen, um über die Wiedertäufer zu recherchieren, habe einen Roman geschrieben: „Le vie del male“). Nebenan wurde eine anglo-amerikanische Hochzeit gefeiert. Die auch noch Weißbier-Knappheit verursachte. Das wurde spät. Folglich erst um 10 am nächsten Morgen aus dem Bett. Bald schon wieder ein Anruf: MM. Nudelsalat essen, dann nach >>> Stifone und der eiskalten Quelle. Ich wiegelte zunächst ab, war noch nicht DA. Da ich dennoch in die Oberstadt mußte wegen der Katze der Neffen: eccomi mangiare insalata di pasta, stare seduto nella finestra che dà sulla piazza, parlare con S., die mir mittlerweile wirklich so ziemlich alles anvertraut. E partire per Stifone. Und wieder nicht getraut, mich ganz dem eiskalten Wasser zu übergeben. Bis zum Nabel nur. Nächstes Mal bis zum Herzen? „Kühl bis ans Herz hinan.“ Abends in der Gartenanlage. Maxi-Bildschirm. MM natürlich und was sich in der Zwischenzeit in meinen Bekanntenkreis gestohlen. Am Ende des Spiels zeigte ich auf die Frage der hinter uns sitzenden L. und B. („La desinenza in a“: Dossi) mein neues Fahrzeug, das ich morgens gekauft hatte, wobei ich mich unter den Farben Giftgrün, Rosa, Shocking Blue usw. für Orange entschieden hatte. Mit MM dann noch eine Zigarette auf dem steinernen Geländer vor dem Tor (mit dem üblichen „ex terremotu extructa“) geraucht und anatomische Gespräche geführt. Nachts um halb zwei eine SMS: Dienstag Abendessen bei T. und I.

10 thoughts on “Die letzten Tage 87

  1. Das Schwarze Lieber Herr Lampe,

    besser Algen am Fußknöchel (das war wohl das Schwarze?) als geschäftige Bademeister im Schwimmbad, die am Beckenrand Verunreinigungen absaugen wollen, und denen der Schlauch immer weg und den Schwimmern ins Gesicht hüpft ODER Bauhof-Gärtner, die zu mittäglicher Stunde allen Freibad-Badegästen auf die Nerven gehen, weil sie nun gerade heute, an Deinem freien Tag, an dem Du Dich endlich mal im kühlen Nass erfrischen und die Seele baumeln lassen wolltest, daran gehen, die Hecken rund um die Becken mit ihren Stihl-Sägen zu bearbeiten und immer just dort auftauchen, wo Du gerade hingehst….
    (ähnliches und mehr schrieb ich heute schon bei Aléa ins Blog).

    Dann lieber das “Schwarze”… Wären Sie durch die (Un)Tiefen eines Sees geschwommen, hätte es auch eine Schwester von “Ness(y)”, dem berühmten Seeungeheuer, sein können…

    Sommerleichte Grüße (nach erfrischendem Regen in den Morgenstunden war es heute sehr erträglich, den ganzen Tag über, im deutschen Süden)
    von Teresa

    P.S.: Was machen Ihre Rippen…. hoffentlich besser gehend?

    1. Pontus Liebe Frau Teresa,

      gern lese ich Sie wieder. Beim Wiederlesen des Meinen indes merke ich, daß ich etwas mißverständlich war, denn der Anfang bezog sich aufs Meer. Erst am Tag darauf begab ich mich an den See. Wäre mir lieb, wieder einem Fisch in der Welle zu begegnen. Am Meer, wohlverstanden. Wir sahen uns kurz an. Unterhalb der Welle. Das war irgendwann vor nicht unvordenklicher Zeit. Was Sie von Schwimmbädern schreiben, kann ich nachvollziehen: Hier indes Disco-Musik statt Stihl-Sägen. Was auf dasselbe hinausläuft. Morgen möglicherweise wieder Meer-Nachrichten.

      P.S. Die Rippen erweisen sich erfreulicherweise als ein Beweis dafür, daß es an der Substanz für die Selbsterhaltung nicht mangelt. Nahezu ok.

  2. Meer(es)-Nachrichten Lieber Herr Lampe,

    es scheint wohl doch ein gewisser Zauber von diesen Meeres Fischen [diesem Meer fischen] auszugehen… “und jedem (Lebe)Wesen wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben” – in freier Abwandlung einer Textpassage aus Hermann Hesse´s STUFEN, die mir eben in den Sinn kam. Kein Nonsens, falls andere Leser nun den Kopf schütteln, weil mancher Zauber, die Aura, eines Wesens uns auch davor bewahrt, eine Dummheit zu begehen, weil uns – gleichsam – eine unsichtbare Hand zurückhält, davor bewahrt, zu tun, dass….

    gespannt auf Meer(es)-Nachrichten und sich freuend darüber, dass die (Ihrigen) Rippen “nahezu ok” grüßt Sie Teresa

    1. P.S. zu Meer(es)-Nachrichten Herr Lampe, ich habe übrigens Ihr Blog auf meinem abonniert wie auch ANH´s Dschungel.
      Wissen Sie, warum Cellini schon seit Wochen nicht mehr zu lesen? Urlaub?
      Ich war kürzlich in Berlin in einem Café, dort gab es Cellini-Schokolade, die ich extra nicht aufgegessen, sondern mitgenommen, mehrfach in Zellstofftüchlein eingewickelt, damit sie bei der Hitze nicht schmilzt, die wollte ich ihr gern “geben”, doch nun ist sie schon des längeren hier nicht (am meer ?) anzutreffen!
      Falls Sie sie in den Wellen sichten, richten sie doch aus, ich vermisse schmerzlich die Bürogeschichten….
      wenigstens lese ich Sie und ich hoffe, SIE, lieber Herr Lampe, tauchen mir nicht in den Wellen ab (bei der Hitze wär´s verständlich, sogar) Teresa

    2. Ich tauche zwar gelegentlich ab, allerdings auch auf, wie “heraufgesunkene Sterne” (Broch, Tod des Vergil), die in der Oberstadt einen Brunnen haben, in dem sie sich nicht spiegeln können, weil das Eisen oxidiert ist, mit dem er abgedeckt, als wäre das Wasser, das unter ihm ist, das Element, in dem es gelegen, statt über ihm, da helfen dann nur noch die Augen. Dann beim Gang zum Auto ein dunkler Schatte. Wieder. Eine Fledermaus. Im Auto dann “Going Home” von Ten Years After (CD-Titel: “Undead”, was zu beweisen war).
      P.S. An cellinis Statt kann ich nun nicht antworten. Da sie aber mitliest, überlasse ich es ihr zu antworten oder nicht zu antworten.

  3. @Teresa … wenn ich mir nicht gerade die Schwimmhäute trockne, sitze ich hier… in meinem Turm über dem Meer….

    1. Für Cellini Liebe Cellini,

      der Einblick in Ihr Atelier läßt einen erahnen, dass dort, wo Sie nun weilen, viele kreative Inspirationen in Farbe, Wort und Bild möglich sind.

      Mit einem kleinen virtuellen Bilder-Gruß wollte ich Ihnen den Sonntag heute versüßen…. jedoch, es gelang mir hier nicht (weil ich als Kommentatorin nur Worte in diese Textboxen hier einfügen kann, jedoch keine Fotos)… nun denn, ich wußte mir zu helfen… wenn Sie mal auf mein Weblog klicken, dort steht der Augenschmaus für Sie!
      Ich erlaubte mir zu Ihren Bürogeschichten (so nenne ich sie) und zu ANH´s Dschungel zu verlinken.

      Viele Inspirationen an Ihrem kreativen Ort
      wünscht Ihnen Teresa

    2. wirklich schade das Cellini nicht mehr unter uns weilt … ich hab`ihre Texte und Bilder wirklich sehr gemocht !

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