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Auf meinem Laptop in der Küche ist mir ein Text wieder auf die Spur gekommen. Nach langer Zeit (ich weiß nicht mehr, wie er dorthin gekommen) fiel mir wieder der Dateiname auf: mein Nachname. Es kam daher, daß MM sich gestern per Mail meldete, er brauche seinen von mir ins Deutsche übersetzten Lebenslauf, denn er habe die Möglichkeit ein paar Monate in Chandolin im Grandhotel als Koch zu arbeiten und ansonsten mach jetzt ein franzoesisch kurs fuer vollidiotten. bin der einziege weis-man in der klasse alles afriss und wieder mal alles michelmaesssig. Und den schrieb ich im Herbst auf dem Laptop in der Küche. Der gestern wiedergefundene Text erscheint in roten Buchstaben. Alle Zeilen sind durchgestrichen. Am Ende des Textes steht mein Name. Überflüssig zu sagen, daß es sich hier um eine Übersetzung handelt. Kann sein, daß der Text vor meiner Vogelfreiheit auf meinem Schreibtisch-PC gelandet war wie manche andere Texte, die sie, zurückschauend in ihre Vergangenheit, damals geschrieben (als wären vier Jahre ein „damals“). Der Titel erinnert mich fast an Leopardis „La sera del dì di festa“ (Die Nacht ist mild und klar, es weht kein Wind (im Unterschied zur letzten Nacht, da wehte es die Plastikplane vom Holz fort und machte das frisch gestapelte Holz auf der einen Seite naß, um dann den heutigen Tag mit Schneegraupeln beginnen zu lassen).

DER ORT DES FESTES

Geschichte in 40 Zeilen

Sie lag still und unbeweglich im Bett, im Dunkeln, und schaute auf das Licht, das durch das angelehnte Fenster auf dem Schreibtisch zu liegen kam.
Die Diagnose war eindeutig: „Interstitielle Zystitis“.
Sie schaute in sich und sah jetzt deutlich das Tier, das seit zwei Jahren ihr den Atem benahm, das sie daran hinderte, ein normales Leben zu führen, und das ihr den Namen Frau genommen; sie war keine Frau mehr, sie spürte nichts mehr, sie war nur noch ein steifes Bündel, ein Schatten der Weiblichkeit, ein Nichts.
„Es gibt bis heute keine spezielle Heilmethode, eine seltene Krankheit.“ Ah ja. Kaum jemand kannte sie, und wenn ich davon sprach, lächelten die Leute mehr als oft und sagten ein banales: „Es gibt schlimmeres, was soll das schon sein.“
Vielleicht, um „ein Kranksein“ zu zeigen, hätte sie vermeiden sollen, auf die Kleidung zu achten, auf das Schminken, um sich noch als Frau zu fühlen, auch darauf, zu heiraten, zu leben. Sie hätte das Leben fliehen sollen, dann hätte man sie zu den Kranken gezählt.
Aber sie beschloß, das ihr aufgebürdete Kreuz zu tragen, an es sich zu klammern, es heben mit Freude, mit „letizia“, aus Liebe.
Liegen, in der Stille, lächelte sie. Der Schmerz war mitterweile Teil ihrer selbst, leistete ihr Gesellschaft. Sie dachte, sie habe Glück, denn das Kreuz würde sie nicht allein tragen.
Sie erinnerte sich an eine Geschichte, die ihr vor einiger Zeit eine ihr liebe Person erzählt hatte, und in Gedanken suchte sie sich deren Teile wieder zusammen: „Eine Frau gemeinsam mit anderen ging auf einem steilen und gewundenen Pfad, der zuweilen eben verlief. Alle oder fast Alle trugen ein großes schweres und sperriges Holzkreuz auf dem Rücken. Eines Tages gab man auch ihr ein solches Kreuz. Es war sehr schwer, sie konnte kaum gehen. Sie tat gut daran, ein Stück davon fortzuschneiden, um das Gewicht zu verringern. Zufrieden ging sie weiter mit den Anderen. Am Ende des Pfades stand sie jedoch vor einem Abgrund. Sie hielt an, schaute sich um. Sie sah, wie die Anderen das Kreuz nahmen, es vor sich als Brücke hinlegten, um auf ihr zur anderen Seite zu gelangen. Ihr Kreuz war zu kurz, um bis zur anderen Seite zu gelangen. Sie hob den Blick und sah einen wunderschönen Garten mit Blumen und Pflanzen jeglicher Art, wo Alle glücklich und heiter waren.“
Sie lächelte ein weiteres Mal und drehte sich im Bett um, bald würde sie aufstehen und einen neuen Tag anfangen müssen
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